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Der Rechtsstaat - Fachprüfung

Kurs: Verfassungsrecht und Allgemeine Staatslehre (216.1)

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Universität: Universität Graz

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Alexandra Stocker Seite1
IX. Der Rechtsstaat
1. Das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung
Anders als die demokratische Republik sowie der Bundesstaat wird der Rechtsstaat als leitendes
Prinzip der Bundesverfassung im B-VG nicht ausdrücklich proklamiert, lässt sich jedoch aus dem
Gesamtaufbau des B-VG ableiten. Art. 1 B-VG sagt nämlich, dass das Recht (der Republik) vom Volk
ausgeht. Demokratie iSd B-VG ist eine rechtsstaatliche Demokratie.
Kern des rechtsstaatlichen Prinzips ist die Bindung der Verwaltung an das Gesetz iSd
Legalitätsprinzips (Art. 18/1 B-VG). Es verlangt aber auch Rechtsschutzeinrichtungen, die diese
Bindung effektiv gewährleisten ("Rechtsschutzstaat"). Die Kontrolle der Verwaltung durch den VwGH
und den VfGH sind wesentliche Bestandteile des rechtsstaatlichen Prinzips. Auch die Bindung der
Gesetzgebung an höherrangiges Recht und ihre Sicherung durch eine Verfassungsgerichtsbarkeit und
eine Verwaltungsgerichtsbarkeit wird heute zum rechtsstaatlichen Grundprinzip der
Bundesverfassung gesehen. Schließlich wird auch noch die Existenz unabhängiger Gerichte davon
erfasst.
1.1 Legalitätsprinzip
Gem. Art. 18/1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt
werden. Die Verwaltung ist an feste Regeln zu binden, die ihr Handeln für den Bürger vorhersehbar
und berechenbar machen. Gewährleistet wird dieses Prinzip durch eine gerichtliche Kontrolle
verwaltungsbehördlicher Entscheidungen (Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Art. 18/1 B-VG normiert nicht nur eine Verpflichtung der Verwaltung, nämlich nur aufgrund gesetzlicher
Ermächtigung zu handeln (Vorbehalt des Gesetzes), sondern auch eine Verpflichtung der Gesetzgebung,
nämlich das Handeln der Verwaltung gesetzlich in hinreichend bestimmter Weise zu determinieren.
Als "gesetzliche Ermächtigungen" iSd Art. 18 Abs 1 und 2 B-VG kommen nicht nur formelle Bundes-
oder LandesG in Betracht, sondern auch parlamentarisch genehmigte völkerrechtliche Verträge,
sofern sie hinreichend bestimmt sind. Eine Sonderstellung nimmt das europäische Unionsrecht ein:
Es ist von österreichischen Gerichten und Verwaltungsorganen nach unmittelbar anzuwenden.
Ausnahmen vom Legalitätsprinzip bedürfen einer verfassungsrechtlichen Regelung. Solche finden
sich in verfassungsgesetzlichen Ermächtigungen zu selbstständigen (verfassungsunmittelbaren), dh
ohne Dazwischentreten eines Gesetzes zu erlassenden, Verordnungen. Solche VO können
gesetzesergänzend (gesetzesvertretend) sein. Sie bedürfen keiner hinreichend bestimmten