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PT jung - Transferaufgabe - Theorie von C.G.Jung

Transferaufgabe - Theorie von C.G.Jung
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Kompetenz- & Selbstmanagement

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FOM Hochschule

Akademisches Jahr: 2019/2020
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Technische Universiteit Delft

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PHD C. George Boeree:

Persönlichkeitstheorien

CARL GUSTAV JUNG

[ 1875 - 1961 ]

Originaltitel: Personality Theories

[ ship/~cgboeree/perscontents ]

             

Copyright 1997, 2006 C. George Boeree. Shippensburg University, USA.

deutsche Übersetzung: D. Wieser M., 2006

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Index

Index

  • Index
  • Einleitung
  • Biographie
  • Theorie
  • Archetypen
  • Der Mutterarchetyp
  • Mana
  • Der Schatten
  • Persona
  • Anima und Animus
  • Andere Archetypen
  • Die Dynamik der Psyche
  • Das Selbst
  • Synchronizität
  • Introversion | Extraversion
  • Die Funktionen
  • Assessment
  • Diskussion
  • Positive Aspekte
  • Verbindungen
  • Literatur
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Jung träumte viel von den Toten, dem Land der Toten und der Auferstehung von den Toten. Die Toten repräsentierten das Unbewusste an sich – nicht das "kleine" persönliche Unbewusste, mit dem sich Freud so ausgiebig beschäftigt hatte, sondern ein neues kollektives Unbewusstes der Menschheit an sich, das Unbewusste, das alle Toten enthielt, nicht nur unsere persönlichen Geister. Jung begann die psychisch Kranken als Menschen zu sehen, die von diesen Geistern geplagt wurden, zu einer Zeit in der niemand mehr an diese Geister glaubte. Wenn wir unsere Mythologien wiederfänden, könnten wir diese Geister verstehen, mit den Toten auskommen und unsere psychischen Krankheiten heilen.

Kritiker warfen ein, Jung sei schlicht und einfach selbst krank gewesen, als all dies geschah. Doch Jung war der Auffassung, dass man sich nicht damit zufrieden geben kann, nahe der Küste hin und her zu segeln, wenn man den Dschungel kennen lernen will. Man muss in den Dschungel hinein, egal wie seltsam und gefährlich es auch erscheinen mag.

Biographie

Carl Gustav Jung ist am 26 Juli 1875 in Kessewil, einem kleinen Dorf in der Schweiz geboren. Sein Vater war Paul Jung, ein Dorfpfarrer, seine Mutter war Emilie Preiswerk Jung. Er wuchs in einer sehr gebildeten Großfamilie auf, dazu gehörten auch Geistliche sowie Exzentriker.

Carl begann schon im Alter von sechs Jahren Latein zu lernen, damit begann auch ein lang anhaltendes Interesse an Sprachen und Literatur – insbesondere die antike Literatur. Neben den meisten westeuropäischen Sprachen konnte Jung auch einige antike Sprachen lesen, unter anderem Sanskrit, die ursprüngliche Sprache der heiligen Bücher des Hinduismus.

In der Adoleszenz war Carl eher ein Einzelgänger, der nicht viel auf die Schule gab und das Wetteifern nicht leiden konnte. Er besuchte ein Internat in Basel, dort wurde er häufig zum Objekt neidischer Schikane. Als Ausflucht benutzte er den Vorwand, sich nicht wohl zu fühlen und entwickelte die peinliche Neigung, in Ohnmacht zu fallen, wenn er unter Druck gesetzt wurde.

Zwar war es sein Wunschberuf, Archäologe zu werden, er nahm jedoch ein Medizinstudium an der Universität von Basel auf. Während er bei dem berühmten Neurologen Krafft-Ebing lernte, entschied er sich für eine Karriere in der Psychiatrie.

Nachdem er den Universitätsabschluss erreicht hatte, nahm er eine Stelle an der Nervenklinik Burghoeltzli in Zürich an, wo er bei Eugen Bleuler, einem Experten für (und dem Namensgeber der) Schizophrenie studierte. 1903 heiratete Jung Emma Rauschenbach. Zusätzlich unterrichtete er an der Universität Zürich, er betrieb eine private Praxis und erfand zu dieser Zeit auch die Assoziationsmethode!

Er war schon lange ein Bewunderer Freuds, als er ihn 1907 in Wien kennen lernte. Man erzählt sich, dass Freud kurz nach ihrem Zusammentreffen alle Termine für den Tag absagte und sich dreizehn Stunden lang mit Jung unterhielt, so groß war die Wirkung der beiden großen Geister aufeinander! Schließlich betrachtete Freud Jung als den Kronprinzen der Psychoanalyse und damit offensichtlich als seinen Nachfolger.

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Doch Jung stimmte nie vollends mit Freuds Theorie überein. Während einer Reise nach Amerika im Jahre 1909 kühlte sich ihre Beziehung langsam ab. Sie vertrieben sich die Zeit damit, die Träume des anderen zu analysieren (mehr zur Unterhaltung), als Freud sich übermäßig gegen Jungs Analyseversuche zu wehren begann. Letztlich brach Freud ab, weil er fürchtete, seine Autorität zu verlieren! Jung empfand das als beleidigend.

Der Erste Weltkrieg brachte eine schmerzvolle Periode der Selbsterkundung für Jung. Dennoch war dies der Anfang einer der interessantesten Persönlichkeitstheorien, die die Welt je gesehen hat. Nach Kriegsende unternahm Jung weite Reisen, so besuchte er zum Beispiel Stammesangehörige in Afrika, Amerika und Indien. 1946 setzte er sich zur Ruhe und zog sich von der öffentlichen Aufmerksamkeit zurück, nachdem seine Frau 1955 verstorben war. Jung starb am 6. Juni 1961 in Zürich.

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Der Archetyp ist eine Art schwarzes Loch im All: Sie wissen, dass es da ist, weil Sie erkennen können, wie es Materie und Licht anzieht.

Der Mutterarchetyp

Der Mutterarchetyp ist ein besonders gutes Beispiel. All unsere Vorfahren hatten Mütter. Wir sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es eine Mutter oder einen Mutterersatz gab. Als wir noch hilflose Babys waren, hätten wir ohne eine Verbindung zu einer nährenden Person nicht überleben können. Es ist unzweifelhaft, dass wir in einer Weise "gebaut" sind, welche dieses evolutionäre Umfeld widerspiegelt: Wir kommen zur Welt und suchen die Mutter, wollen sie erkennen und uns mit ihr beschäftigen.

Somit ist der Archetyp der großen Mutter unsere angeborene Fähigkeit, eine gewisse Beziehung wiederzuerkennen, "bemuttert zu werden". Jung meint, dies sei eher abstrakt und wir neigten dazu, den Archetyp nach außen in die Welt auf eine bestimmte Person zu projizieren, gewöhnlich auf unsere eigenen Mütter. Auch wenn für einen Archetyp keine bestimmte reale Person zur Verfügung steht, neigen wir dazu, den Archetypen zu personifizieren, indem wir ihn in einen mythologischen "Märchenbuch"-Charakter verwandeln. Dieser Charakter symbolisiert für uns dann diesen Archetyp.

Der Mutterarchetyp wird von der Urmutter oder mythologischen "Mutter Erde" symbolisiert, in westlichen Traditionen von Eva und Maria, aber auch von weniger personalen Symbolen wie etwa der Kirche, der Nation, von einem Wald oder dem Meer. Jung ist der Auffassung, dass jemand, dessen Mutter seinen Bedürfnissen nicht hinreichend entsprechen konnte, sein Leben oft damit verbringen mag, in der Kirche Trost zu suchen, oder Trost zu finden, indem er sich mit dem "Mutterland" identifiziert, oder indem er über die Mutter Maria meditiert oder auch indem er direkt am Meer lebt.

Mana

Zunächst muss man verstehen, dass die Archetypen keine wirklich biologischen Größen sind, wie etwa bei Freuds Trieblehre. Es handelt sich eher um spirituelle Anforderungen. Wenn man zum Beispiel von langen Dingen träumt, wäre Freud wohl davon ausgegangen, dass diese Dinge den Phallus und damit letztlich Sex repräsentieren. Doch Jung hätte dies ganz anderes interpretiert. Auch wenn man sehr spezifische Träume von einem Penis hat, muss das nicht unbedingt viel mit dem unerfüllten Bedürfnis nach Sex zu tun haben.

Interessant ist, dass phallische Symbole in primitiven Kulturen gewöhnlich gar nicht auf Sex bezogen sind. Sie symbolisieren meist Mana, oder spirituelle Kraft. Diese Symbole wurden zu ganz bestimmten

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Anlässen gezeigt, wenn man etwa die Geister anrief, damit sie die Kornernte verbesserten, oder die Fischbeute oder auch dann, wenn jemand geheilt werden sollte. Die Verbindung von Penis und Stärke, zwischen menschlichem und pflanzlichem Samen, zwischen Befruchtung und Fruchtbarkeit werden von den meisten Kulturen verstanden.

Der Schatten

Natürlich finden Sex und Lebenstriebe allgemeine Repräsentationen irgendwo in Jungs System. Sie sind Bestandteil des Archetypen, der als Schatten bezeichnet wird. Er leitet sich aus unserer vormenschlichen, tierischen Vergangenheit ab, als es uns noch vornehmlich ums Überleben und um die Fortpflanzung ging, damals waren wir uns unserer selbst noch nicht bewusst.

Es ist die "dunkle Seite" des Ich und oft findet sich dort auch das Böse, dessen wir fähig sind. Eigentlich ist der Schatten amoralisch – weder gut noch schlecht, genau wie bei den Tieren. Ein Tier ist in der Lage, sich zärtlich um seinen Nachwuchs zu kümmern, und ebenso in der Lage, brutal seine Nahrung zu jagen, doch ein Tier entscheidet sich nicht bewusst, das eine oder das andere zu tun. Ein Tier tut einfach was es tut. Es ist "unschuldig". Doch aus unserer menschlichen Perspektive schaut die Tierwelt eher brutal, unmenschlich aus, somit wird der Schatten etwas wie ein Mülleimer für die Anteile unserer selbst, die wir nicht so einfach eingestehen können.

Symbole für den Schatten sind zum Beispiel die Schlange (wie im Garten Eden), der Drache, Monster und Dämonen. Dieses Tier bewacht oft den Eingang einer Höhle oder einen See, womit das kollektive Unbewusste symbolisiert wird. Wenn Sie also wieder davon träumen, mit dem Teufel zu ringen, mag es sein, dass Sie eigentlich mit sich selbst ringen!

Persona

Die Persona repräsentiert das eigene öffentliche Bild. Der Begriff leitet sich recht offensichtlich von dem Wort "Person / Persönlichkeit" ab und kommt von dem lateinischen Wort für Maske. Die Persona ist also die Maske, die Sie anlegen, bevor Sie sich der äußeren Welt zeigen. Obgleich sie als Archetyp entwickelt wird, ist es der Teil von uns, der dem kollektiven Unbewussten am entferntesten ist, sobald wir die Wahrnehmung der eigenen Persona halbwegs abgeschlossen haben.

Im besten Fall ist die Persona in etwa der "gute Eindruck", den wir alle hinterlassen möchten, während wir die Rollen spielen, die die Gesellschaft von uns erwartet. Doch sie kann auch der "falsche Eindruck" sein, den wir verwenden, um die Meinung und das Verhalten anderer zu manipulieren. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass die Persona mit unserer wahren Natur verwechselt wird – auch von uns selbst: Manchmal nämlich glauben wir selbst, was wir in Wirklichkeit nur vorgeben zu sein!

Anima und Animus

Ein Bestandteil unserer Persona ist die männliche oder weibliche Rolle, die wir spielen müssen. Für die meisten Menschen ist diese Rolle durch ihr biologisches Geschlecht festgelegt. Wie Freud, Adler und andere war auch Jung der Überzeugung, dass wir unserer Natur gemäß eher bisexuell sind. Zu Beginn unseres Lebens, als Fötus, haben wir noch keine ausdifferenzierten Geschlechtsorgane, denn diese bilden sich erst nach und nach unter dem Einfluss bestimmter Hormone aus, später dann werden wir entweder weibliche oder männliche Wesen. Desgleichen beginnen wir auch unser soziales Leben als Kinder, weder männlich noch weiblich im sozialen Sinne. Doch sobald uns entweder rosa oder

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alle dazu, uns mit dem Helden einer Geschichte zu identifizieren – und befindet sich sehr oft im Kampf mit dem Schatten in Form von Drachen oder anderen Monstern. Trotzdem ist der Held nicht selten völlig dumm. Denn letztlich weiß er nichts von den Wegen des kollektiven Unbewussten. Luke Skywalker aus den Star Wars Filmen ist ein perfektes Beispiel für einen Helden dieser Art.

Zudem ist der Held oft unterwegs, um die Jungfrau zu retten. Sie wiederum repräsentiert Reinheit, Unschuld und auch Naivität. Zu Beginn der Star Wars Geschichte ist Prinzessin Leia die Jungfrau. Später jedoch wird sie zur Anima, sie entdeckt die Kräfte der Macht – des kollektiven Unbewussten – und wird ein gleichgestellte Partner von Luke, von dem schließlich bekannt wird, dass er ihr Bruder ist.

Der Held wird von dem weisen Alten geführt. Dieser ist eine Form des Animus und enthüllt dem Helden die Natur des kollektiven Unbewussten. In Star Wars wird der weise Alte von Obi Wan Kenobi und später von Yoda gespielt. Beide vermitteln Luke Wissen über die Macht; und während Luke erwachsen wird, sterben sie und werden ein Teil von ihm.

Jetzt interessiert uns natürlich, welchen Archetyp Darth Vader der "dunkle Vater" wohl repräsentiert. Er ist der Schatten und der Meister der dunklen Seite der Macht. Es stellt sich zudem heraus, dass er Lukes und Leias Vater ist. Als er stirbt, wird er einer der weisen alten Männer.

Es gibt auch einen Tier-Archetypen, welcher die Beziehungen zwischen Menschheit und Tierwelt repräsentiert. Das treue Pferd des Helden wäre ein gutes Beispiel. Oft verkörpern Schlangen den Tier- Archetypen, sie gelten als besonders weise. Letztlich stehen Tiere in engerem Kontakt mit ihrer Natur, als das bei uns Menschen der Fall ist.

Dann gibt es noch den Schwindler, oft von einem Clown oder einem Magier repräsentiert. Seine Rolle ist es, die Entwicklung des Helden zu hemmen und insgesamt für Schwierigkeiten zu sorgen. In der nordischen Mythologie beginnen viele der Abenteuer, die die Götter erleben, damit, dass der Halbgott Loki ihnen einen Streich spielt.

Andere Archetypen sind schwieriger in Worte zu fassen. Zum Beispiel der Urmann (original man), in den westlichen Religionen von Adam verkörpert. Oder der Gott-Archetyp, der unser Bedürfnis, das Universum zu verstehen, repräsentiert, unser Bedürfnis, allen Geschehnissen eine Bedeutung zuzuschreiben, hinter allem einen Sinn und eine Richtung zu vermuten.

Der Hermaphrodit, männlich und weiblich in einer Person, repräsentiert die Einheit von Gegensätzen, eine wichtige Vorstellung in Jungs Theorie. Manche religiösen Darstellungen zeigen zum Beispiel auch Jesus als einen recht femininem Mann. Ähnlich wie eine Figur aus der chinesischen Tradition Kuan Yin, die als männlicher Heiliger galt (der Bodhisattva Avalokiteshwara), dann aber in so femininer Weise porträtiert wurde, dass man die Figur später als die weibliche Gottheit des Mitgefühls betrachtete!

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Der wichtigste Archetyp von allen ist das Selbst. Das Selbst ist die ultimative Einheit der Persönlichkeit und wird von einem Kreis, dem Kreuz und den Mandalas symbolisiert, die Jung gerne malte. Ein Mandala ist ein Bild, das zur Meditation verwendet werden kann, weil es die Aufmerksamkeit des Betrachters immer wieder zum Zentrum lenkt. Dabei kann es sich um eine ganz schlichte geometrische Figur handeln oder um das hoch kompliziert angelegte Kreismuster eines Kirchenfensters. Die Figuren, die das Selbst am besten personifizieren, sind Christus und Buddha, zwei Menschen, von denen man sagt, sie hätten Perfektion erreicht. Jung hingegen geht davon aus, dass die wahre Perfektion der Persönlichkeit nur im Tod erreicht werden kann.

Die Dynamik der Psyche

Soviel zunächst zu den Inhalten der Psyche. Jetzt wenden wir uns ihrer Funktionsweise zu. Jung spricht von drei Prinzipien, beginnend mit dem Prinzip der Gegensätze. Jeder Wunsch legt sofort sein Gegenteil nahe. Wenn ich zum Beispiel einen guten Gedanken habe, kann ich nicht anders, als auch das schlechte Gegenteil zu denken. Hier handelt es sich um eine grundlegende Feststellung: um eine Vorstellung vom Guten zu haben, muss auch eine Vorstellung vom Bösen vorhanden sein, gleichfalls gibt es weiß nicht ohne schwarz oder hinauf nicht ohne hinunter.

Als ich elf Jahre alt war, kam mir diese Einsicht: Ich versuchte manchmal, armen unschuldigen Waldlebewesen zu helfen, die sich verletzt hatten – oft hatte ich dabei Sorge, sie versehentlich zu töten. Einmal wollte ich ein Rotkehlchenküken gesund pflegen. Als ich es in die Hand nahm, war ich so verwundert, wie leicht es sich anfühlte, dass mir der Gedanke kam, wie leicht es wäre, das Küken einfach in meiner Hand zu zerdrücken. Mir gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht, und doch hatte sich der Gedanke eingeschlichen.

Gemäß Jungs Theorie erzeugen Gegensätzlichkeiten die Kraft (oder Libido) der Psyche. Ähnlich wie bei den beiden Polen einer Batterie, oder bei der Spaltung eines Atoms. Der Kontrast gibt Energie ab, ein starker Kontrast erzeugt viel Energie und ein schwacher nur wenig.

Das zweite Prinzip ist das Prinzip der Äquivalenz. Die Energie, die aus den Gegensätzen hervorgeht, wird gleichmäßig auf beide Seiten verteilt. Als ich also das Vogelbaby in der Hand hatte, gab es Energie, mich um das kleine Wesen zu kümmern um ihm zu helfen. Eine gleiche Menge Energie aber war vorhanden, das Küken einfach zu zerdrücken. Ich versuchte aber, ihm zu helfen, so dass die Energie in die verschiedenen Handlungen einfloss, mit denen ich den Vogel retten wollte. Doch was geschieht mit der anderen Energie?

Nun, das ist von Ihrer Einstellung zu dem Wunsch, dem Sie nicht nachgegeben haben, abhängig. Erkennen Siediesen anderen Gedanken an, konfrontieren Sie sich mit ihm, machen Sie ihn dem bewussten Denken zugänglich, dann wirkt die Energie sich zu einer allgemeinen Verbesserung Ihrer Psyche aus. Anders ausgedrückt: Sie wachsen.

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jung sind, konzentrieren Sie sich auf Ihr Ich und sorgen sich um die Trivialitäten der Persona. Wenn Sie älter sind, (vorausgesetzt Sie haben sich so entwickelt, wie es sein soll), konzentrieren Sie sich ein wenig mehr auf das Selbst, du fühlen sich so allen Menschen, allem Leben und selbst dem Universum näher. Jemand, der sein Selbst erkannt hat, ist somit im Grunde weniger selbstsüchtig.

Synchronizität

Persönlichkeitstheoretiker haben jahrelang diskutiert, ob psychologische Prozesse mechanisch oder teleologisch ablaufen. Mechanisch bedeutet in diesem Kontext, dass Dinge auf der Grundlage von Ursache und Wirkung funktionieren: Ein Vorgang führt zum anderen, der wieder einen anderen Vorgang anstößt und so weiter, somit determiniert die Vergangenheit die Gegenwart. Teleologisch bedeutet, dass wir von unseren Vorstellungen eines zukünftigen Standes vorangetrieben werden, also durch Ziele, Zwecke, Bedeutungen, Werte und so weiter. Die mechanische Sichtweise ist eng mit Determinismus und Naturwissenschaften verknüpft. Teleologie hingegen ist mit dem freien Willen verbunden und inzwischen eine eher seltene Sichtweise geworden. Unter Philosophen, die sich mit Moral, Gesetz und Religion beschäftigen, ist diese Betrachtungsweise noch recht verbreitet – unter Persönlichkeitstheoretikern natürlich auch.

Von den Wissenschaftlern, mit denen wir uns in diesem Buch beschäftigen, sind die Freudianer und die Behavioristen eher mechanistisch eingestellt, Neofreudianer, Humanisten und Existentialisten hingegen nehmen eher die teleologische Perspektive ein. Jung geht davon aus, dass beide Sichtweisen eine Rolle spielen. Er fügt eine dritte Alternative hinzu, die er als Synchronizität bezeichnet.

Mit Synchronizität ist das Auftreten zweier Ereignisse gemeint, die weder ursächlich noch teleologisch miteinander zusammenhängen und doch in einem bedeutungsvollen Verhältnis zueinander stehen. Einmal erzählte ein Klient einen Traum, in dem ein Skarabäuskäfer vorkam, als genau in diesem Moment ein solcher Käfer durchs Fenster in den Sitzungsraum flog. Manchmal träumen Menschen vom Tod einer geliebten Person und finden dann am nächsten Morgen heraus, dass diese Person zum Zeitpunkt des Traums tatsächlich gestorben ist. Oder Menschen nehmen den Telefonhörer, um einen Freud anzurufen und dieser Freund ist bereits in der Leitung. Die meisten Psychologen würden derartige Vorkommnisse als Zufall bezeichnen oder versuchen uns zu erläutern, warum solche Ereignisse wahrscheinlicher sind, als wir annehmen würden. Jung hingegen glaubte, dies seien Anzeichen für unsere Verbindung zu anderen Menschen, zur Natur allgemein, und zwar mittels des kollektiven Unbewussten.

Jung war sich nie wirklich klar über seinen eigenen religiösen Glauben. Doch die eher ungewöhnliche Vorstellung von Synchronizität kann leicht von der hinduistischen Sicht der Realität abgeleitet werden. Im hinduistischen Glauben betrachtet man die Gesamtheit der individuellen Egos wie Inseln im Meer: Wir schauen hinaus in die Welt und denken, wir wären separate Einheiten. Was wir nicht sehen, ist dass wir durch den Meeresgrund tief unter der Wasseroberfläche alle miteinander verbunden sind.

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Die äußere Welt wird als Maya bezeichnet, das bedeutet Illusion, und sie wird verstanden als Gottes Traum oder Gottes Tanz. Das bedeutet, dass Gott sie erschafft, ohne dass sie eine Realität an sich hätte. Für unsere individuellen Egos verwendet der Hinduismus die Bezeichnung Jivatman, das bedeutet individuelle Seelen. Doch auch sie sind eine Art von Illusion. Im Grunde sind wir nämlich alle Ausdehnungen des Einen und Einzigen Atman, oder Gott, der es kleinen Teilen seiner Selbst erlaubt, seine Identität zu vergessen und scheinbar separat und unabhängig zu werden, das sind dann wir. Doch wir sind nie wirklich getrennt. Wenn wir sterben, erwachen wir und erkennen, wer wir von Anfang an waren: Gott. Wenn wir träumen oder meditieren, versinken wir in unser persönliches Unbewusstes, nähern uns immer mehr unserem wahren Selbst, dem kollektiven Unbewussten. Das sind andere Egos. Synchronizität macht Jungs Theorie letztlich zu einer der seltensten Theorien, die nicht nur parapsychologische Phänomene aufgreift, sondern sogar versucht, sie zu erklären!

Introversion | Extraversion

Jung hat eine Typologie der Persönlichkeit entwickelt, die so populär wurde, dass kaum jemand bemerkte, dass er noch weit mehr erarbeitet hat! Am Anfang steht die Unterscheidung von Introversion und Extraversion. Introvertierte Menschen bevorzugen ihre innere Welt der Gedanken, Empfindungen, Fantasien, Träume und so weiter, währen extrovertierte Menschen die äußere Welt der Dinge, Menschen und Aktivität bevorzugen.

Diese Begriffe sind mit anderen Konzepten wie etwa Scheu und Geselligkeit durcheinander gebracht worden, zum Teil daher, weil introvertierte Menschen eher scheu und extrovertierte Menschen eher gesellig sind. Doch in Jungs Verständnis geht es darum, ob Sie (das Ich) sich öfter der Persona und der äußeren Realität zuwenden, oder dem kollektiven Unbewussten und den Archetypen. In diesem Sinne ist die introvertierte Person in gewisser Hinsicht reifer als die extrovertierte. In unserer Kultur jedoch schätzt man extrovertierte Menschen weit mehr. Jung warnte, dass wir alle dazu neigen, die Ausprägung am höchsten zu bewerten, die unserer eigenen entspricht!

Heute finden wir die Dimension introvertiert-extrovertiert in zahlreichen Theorien wieder, insbesondere bei Hans Eysenck, wenngleich sie oft hinter anderen Bezeichnungen wie Geselligkeit (sociability) und "surgency" verborgen ist.

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er ist längst nicht so verurteilend wie andere Tests: Keiner der Typen ist wirklich furchtbar negativ und es gibt auch keine überragend positiven Typen. Statt also zu erfassen, wie "verrückt" Sie sind, macht der "Myers-Briggs" Test Ihre Persönlichkeit nur weiteren Erkundungen zugänglicher.

Der Test hat vier Skalen. Extraversion – Introversion (E-I) ist die wichtigste Skala. Forscher, die mit diesem Test arbeiteten, fanden heraus, dass etwa 75 % der Bevölkerung extrovertiert ist.

Dann die Wahrnehmung – Intuition Skala (Sensing - Intuiting (S-N)), hier ergab sich, dass etwa 75 % der Bevölkerung den Schwerpunkt auf Wahrnehmung legt.

Danach die Denken – Fühlen Skala (Thinking – Feeling (T-F)). Zwar verteilt sich hier das Ergebnis recht gleichmäßig, Forscher aber fanden heraus, dass zwei Drittel der Männer Denkende und zwei Drittel der Frauen Fühlende sind. Das klingt nach Stereotypen, doch erinnern wir uns, dass Fühlen und Denken von Anhängern der Jungschen Theorie gleichermaßen geschätzt werden, ein Drittel der Männer sind Fühlende und ein Drittel der Frauen sind Denkende. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft Denken und Fühlen anders bewertet, so dass fühlende Männer und denkende Frauen oftmals Schwierigkeiten im Umgang mit den stereotypierten Erwartungen der Menschen haben können.

Die letzte Einteilung, Beurteilen – Wahrnehmen (Judging – Perceiving (J-P)), ist keine von Jungs ursprünglichen Dimensionen. Myers und Briggs haben diese Unterscheidung hinzugefügt, um Aussagen darüber treffen zu können, welche der Funktionen eines Menschen nun die bevorzugte ist. Im Allgemeinen sind bewertende Menschen vorsichtiger in ihrem Leben. Wahrnehmende Menschen neigen dazu, spontaner, manchmal leichtfertiger, zu sein. Wenn Sie extrovertiert und "J" (für Judging) sind, sind Sie ein Denkender oder Fühlender, je nachdem, welche Funktion überwiegt. Extrovertiert und "P" (für Perceiving) bedeutet, dass Sie ein wahrnehmender oder intuitiver Typ sind. Andererseits ist ein introvertierter Mensch mit hohen Werten für "J" ein wahrnehmender oder intuitiver Typ, während ein intovertierter Mensch mit hohen Werten für "P" ein denkender oder fühlender Typ sein wird. Die Werte für J und P sind in der Bevölkerung gleichmäßig verteilt.

Jeder Typ ist gemäß des Tests mit vier Buchstaben gekennzeichnet, wie etwa ENFJ. Diese Kürzel sind inzwischen so populär, dass sie sogar auf Nummernschildern auftauchen!

ENFJ (extroverted feeling with intuiting): Diese Menschen sind gute Redner. Sie neigen dazu, ihre Freunde zu idealisieren. Sie sind gute Eltern, lassen sich aber ausnutzen. Sie sind gute Therapeuten, Lehrer, Beamte und Verkäufer.

ENFP (extroverted intuiting with feeling): Diese Menschen lieben Neues und Überraschungen. Sie schwelgen in Emotionen und Ausdrucksformen. Sie neigen zu Muskelverkrampfungen und übermäßiger Wachsamkeit. Sie sind gut im Verkaufen, Werben, in Politik und Schauspiel.

ENTJ (extroverted thinking with intuiting): Als Chefs zu Hause erwarten diese Menschen sehr viel von ihren Ehepartnern und Kindern. Sie schätzen Ordnung und Struktur und geben gute Beamte und Administratoren ab.

ENTP (extroverted intuiting with thinking): Dies sind lebhafte Menschen, keinesfalls langweilig oder ordentlich. Als Partner sind sie insbesondere im ökonomischen Bereich ein wenig gefährlich. Sie können gut analysieren und geben gute Unternehmer ab.

ESFJ (extroverted feeling with sensing): Diese Menschen schätzen Harmonie. Sie haben strenge moralische Vorstellungen. Sie können Abhängigkeiten entwickeln, erst von den Eltern, dann von den

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Ehepartnern. Sie tragen das Herz auf der Zunge und gehen in Servicearbeiten auf, die ihnen persönlichen Kontakt zu Menschen bieten.

ESFP (extroverted sensing with feeling): Sehr großzügige und impulsive Menschen, sie haben eine geringe Angsttoleranz. Sie sind gute Darsteller, mögen Öffentlichkeitsarbeit und lieben das Telefon. Sie sollten wissenschaftliche Projekte allerdings meiden, insbesondere Naturwissenschaften.

ESTJ (extroverted thinking with sensing): Dies sind verantwortungsbewusste Partner und loyale Mitarbeiter. Sie sind realistisch, stehen mit beiden Beinen im Leben, sind ordentlich und lieben Traditionen.

ESTP (extroverted sensing with thinking): Dies sind Menschen, die Action lieben, oft gebildet, manchmal rücksichtslos – unsere "James Bonds". Als Partner sind sie aufregend und charmant, doch es fällt ihnen schwer, Verpflichtungen einzuhalten. Sie geben gute Promoter, Unternehmer und Künstler ab.

INFJ (introverted intuiting with feeling): Dies sind die ernsten Schüler und Mitarbeiter, die wirklich ihren Beitrag leisten wollen. Sie sind leicht verletzbar, geben gute Ehepartner ab, neigen jedoch dazu, physisch reserviert zu bleiben. Sie sind gute Therapeuten, Ärzte, Minister usw.

INFP (introverted feeling with intuiting): Diese Menschen sind idealistisch, selbst-aufopfernd und irgendwie kühl oder reserviert. Sie sind sehr an der Familie orientiert, können sich aber nicht gut entspannen. Man findet sie in der Psychologie, Architektur und Religion, doch nie im Businessbereich. Sowohl Jung als auch ich bewundern diesen Typ. Natürlich sind sowohl Jung als auch ich vom Typ INFP!

INTJ (introverted intuiting with thinking): Das sind die unabhängigsten aller Typen. Sie lieben Logik und Ideen und fühlen sich zu naturwissenschaftlicher Forschung berufen. Dennoch können sie auch eher unbeirrbar sein.

INTP (introverted thinking with intuiting): aufrichtig, gedankenverloren und vergesslich, das sind die Leseratten. Sie sind sehr präzise in ihrem Sprachgebrauch, sind gut im Bereich Logik und Mathematik und geben gute Philosophen und theoretische Wissenschaftler ab, doch keine Schriftsteller oder Verkäufer.

ISFJ (introverted sensing with feeling): Diese Menschen sind an Service und Arbeit orientiert. Sie leiden an Erschöpfung und werden von Unruhestiftern magisch angezogen. Sie sind gute Krankenschwestern, Lehrer, Sekretäre, Ärzte, mittlere Manager und Hausmeister.

ISFP (introverted feeling with sensing): Sie sind scheu und zurückgezogen, nicht besonders gesprächig, lieben aber sinnliche Handlung. Sie malen, zeichnen, formen plastische Kunstwerke, komponieren, tanzen – sie mögen die Künste allgemein – und sie lieben die Natur. Sie sind nicht sonderlich pflichtbewusst.

ISTJ (introverted sensing with thinking): Dies sind verlässliche Pfeiler der Stärke. Sie versuchen oft, ihre Partner und andere Menschen zu ändern. Sie sind gute Rechnungsprüfer, Bilanzbuchhalter, Steuerprüfer, Sportlehrer und Pfadfinder!

ISTP (introverted thinking with sensing): Diese Menschen brauchen Action, sind furchtlos und sehnen sich nach Aufregung. Sie sind impulsiv und es ist gefährlich, sie stoppen zu wollen. Oft schätzen sie Werkzeuge, Instrumente und Waffen, sie werden oft technische Experten. Kommunikation interessiert

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Diskussion

Sehr viele Menschen halten große Stücke auf Jungs Theorie. Unter anderem zum Beispiel Schriftsteller, Künstler, Musiker, Filmemacher, Theologen, Geistliche aller Konfessionen, Menschen, die Mythologie studieren, und natürlich auch einige Psychologen. Mir fällt zum Beispiel der Mythologe Joseph Campbell ein, der Filmemacher George Lucas und die Science Fiction Autorin Ursula K. Le Guin. Jeder, der sich für Kreativität, Spiritualität, psychische Phänomene, das Universelle und ähnliches interessiert, wird in Jung einen verwandten Geist finden.

Doch Wissenschaftler, auch die meisten Psychologen, haben größere Schwierigkeiten mit Jung. Denn er unterstützt nicht nur die teleologische Sichtweise (wie auch die meisten Persönlichkeitstheoretiker), sondern Jung geht noch einen Schritt weiter und spricht von der mystischen Verbundenheit der Synchronizität. Er postuliert nicht nur ein Unbewusstes, das empirischen Untersuchungen nicht so einfach zur Verfügung steht, sondern er postuliert ein kollektives Unbewusstes, das nie bewusst war und auch nie bewusst sein wird.

Im Grunde nimmt Jung eine Zugangsweise ein, die genau gegenteilig verläuft, wie die Zugangsweise des Mainstream-Reduktionismus. Jung beginnt mit den höchsten Stufen – sogar mit Spiritualismus – und leitet die niedrigeren Stufen der Psychologie und Physiologie von der Grundlage dieser höheren Stufen ab.

Doch auch Psychologen, die seiner Teleologie und antireduktionistischer Sichtweise Beifall spenden, kommen vielleicht nicht so gut mit seiner Theorie zurecht. Genau wie Freud versucht auch Jung, alles in sein System zu integrieren. Somit bleibt kaum Raum für Zufall oder Einwirkung äußerer Umstände. In Jungs Theorie scheint die Persönlichkeit – und das Leben insgesamt – "übermäßig erklärt" zu sein.

Nach meiner Erfahrung ist seine Theorie besonders für Studenten attraktiv, die selbst Schwierigkeiten im Umgang mit der Realität haben. Wenn die Welt, insbesondere die soziale Welt, zu schwierig wird, ziehen sich manche Menschen in die Fantasie zurück. Einige werden zum Beispiel so genannte Couch Potatoes. Doch andere wenden sich komplexen Ideologien zu, die vorgeben, alles erklären zu können. Manche treten gnostischen oder tantrischen Religionen bei, wo es verschlungene Systeme von Engeln und Dämonen, Himmeln und Höllen gibt, wo Symbole endlos diskutiert werden. Andere wenden sich Jung zu. Daran gibt es nicht auszusetzen; doch für jemanden, der den Kontakt zur Realität verloren hat, wird dieses System nicht besonders hilfreich sein.

Diese kritischen Anmerkungen entziehen Jungs Theorie natürlich nicht ihre Basis. Es geht nur darum, darauf hinzuweisen, dass man sich das Ganze auch eingehend überlegt.

Positive Aspekte

Hier sind der Myers-Briggs sowie andere Tests basierend auf Jungs Typen und Funktionen zu nennen. Weil diese Tests die Menschen nicht auf Dimensionen zwischen "gut" und "böse" festlegen, sind sie weit weniger bedrohlich. Sie eignen sich vielmehr dazu, die Menschen zu ermutigen, sich ihrer selbst bewusst zu werden.

Die Archetypen scheinen auf den ersten Blick Jungs seltsamste Idee zu sein. Dennoch haben sie sich in der Analyse von Mythen, Märchen, Literatur allgemein, künstlerischer Symbole und religiöser Standpunkte als nützlich herausgestellt. Offensichtlich umfassen die Archetypen einige der grundlegenden "Einheiten" unseres Selbstausdrucks. Viele haben in diesem Kontext angemerkt, es

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gebe so viele Geschichten und Charaktere in der Welt, dass wir einfach nur fortlaufend die verschiedenen Details umorganisieren.

Darin aber liegt der Hinweis darauf, dass die Archetypen sich tatsächlich auf einige tiefe Strukturen des menschlichen Verstandes beziehen. Zumindest aus der physiologischen Perspektive aus betrachtet, kommen wir mit einer bestimmten Struktur auf diese Welt: Wir sehen in bestimmter Weise, hören in bestimmter Weise und verhalten uns in bestimmter Weise, weil unsere Neuronen, Drüsen und Muskeln eine bestimmte Struktur aufweisen. Mindestens ein Vertreter der kognitiven Psychologie hat vorgeschlagen, nach Strukturen Ausschau zu halten, die Jungs Archetypen entsprechen!

Letztlich hat Jung uns auch im Bezug auf die Unterschiede zwischen der Kindheitsentwicklung und der Entwicklung des erwachsenen Menschen die Augen geöffnet. Kinder betonen beim Lernen eindeutig die Differenzierung – es geht darum, ein Ding vom anderen zu trennen. "Was ist das?" "Warum ist es so und nicht so?", "Welche anderen Formen gibt es?" Kinder suchen aktiv nach Unterschieden. Und viele Menschen – Psychologen eingeschlossen – waren davon so beeindruckt, dass sie annahmen, bei allen Lernvorgängen gehe es um Differenzierung, also darum, mehr und mehr "Dinge" zu lernen.

Jung hingegen hat darauf hingewiesen, dass Erwachsene mehr nach Integration suchen, danach, Gegensätze zu überbrücken. Erwachsene suchen nach der Verbindung zwischen Dingen, danach, wie die Dinge zusammenpassen, wie sie interagieren, wie sie zum Ganzen beitragen. Wir wollen allem einen Sinn abringen, die Bedeutung finden, den Zweck des Ganzen. Kinder entwirren die Welt; Erwachsene knüpfen alles wieder zusammen.

Verbindungen

Einerseits steht Jung noch in der Tradition seiner Freudianischen Wurzeln. Er betont das Unbewusste sogar noch mehr als die Freudianer. Man kann ihn im Grunde als die logische Erweiterung von Freuds Tendenz betrachten, die Gründe für alles in die Vergangenheit zu verlagern. Auch Freud sprach von Mythen – zum Beispiel von Ödipus – und davon, welche Bedeutung diese Mythen für die moderne Psyche haben.

Andererseits hat Jung vieles mit Neofreudianern, Humanisten und Existentialisten gemeinsam. Er geht davon aus, dass wir uns fortentwickeln, uns in eine positive Richtung bewegen statt uns nur anzupassen, wie Freudianer und Behavioristen es sehen würden. Jungs Vorstellung der Selbsterkenntnis ähnelt eindeutig der Vorstellung der Selbstverwirklichung.

Das Balancieren oder Transzendieren von Gegensätzen findet auch Entsprechungen in anderen Theorien. Alfred Adler, Otto Rank, Andreas Angyal, David Bakan, Gardner Murphy und Rollo May sprechen alle von der Balance zweier gegensätzlicher Neigungen, die eine in Richtung individueller Entwicklung und die andere hin zur Entwicklung von Mitgefühl oder sozialem Interesse. Rollo May spricht davon, dass die Psyche aus vielen "daimons" (kleinen Göttern) besteht, wie etwa das Bedürfnis nach Sex oder Liebe oder Macht. All diese sind positiv, sollte eines dieser Bedürfnisse jedoch die gesamte Persönlichkeit beherrschen, haben wir es mit einer "daimonischen Besessenheit" (daimonic possession) oder psychischer Krankheit zu tun!

Und zu guter Letzt haben wir durch Jungs Arbeit eine breitere Interpretationspalette zum Beispiel der Symptome oder Träume oder freier Assoziation erhalten. Während Freud mehr oder weniger rigide (insbesondere sexuelle) Interpretationen entwickelte, fand Jung eher freie "mythologische"

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PT jung - Transferaufgabe - Theorie von C.G.Jung

Kurs: Kompetenz- & Selbstmanagement

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Universität: FOM Hochschule

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C. George Boeree: Persönlichkeitstheorien Carl Gustav Jung
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PHD C. George Boeree:
Persönlichkeitstheorien
CARL GUSTAV JUNG
[ 1875 - 1961 ]
Originaltitel: Personality Theories
[ http://www.ship.edu/~cgboeree/perscontents.html ]
             
Copyright 1997, 2006 C. George Boeree.
Shippensburg University, USA.
deutsche Übersetzung:
D. Wieser M.A., 2006
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Copyright 1997, 2006 C. George Boeree.