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Skript Strafrecht II

Kurs

Rechtswissenschaften

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Universität

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Akademisches Jahr: 2015/2016

Aufgeführte BücherStrafrecht Allgemeiner Teil BGB AT, Schuldrecht AT Schuldrecht Allgemeiner Teil, Academia Plus Academia Juris

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Sara Duwentester

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Text Vorschau

Professor Dr. Christian Schröder

Skript zur Vorlesung

S t r a f r e c h t II

Sommersemester 2019

II

Inhaltsübersicht

A. DAS UNTERLASSUNGSDELIKT Teil 1: Allgemeiner Teil des Strafrechts
I. Allgemeines
II. Das unechte Unterlassungsdelikt
B. TÄTERSCHAFT UND TEILNAHME
I. Allgemeines
II. Übersicht zu Täterschaft und Teilnahme
III. Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
IV. Besondere Formen der Täterschaft
V. Formen der Teilnahme
VI. Die Akzessorietät der Teilnahme
VII. Der Versuch der Beteiligung
C. KONKURRENZLEHRE
I. Allgemeines und Übersicht
II. Die Konkurrenzen im Einzelnen
III. Prinzipien der Strafenbildung
IV. Prüfungsreihenfolge
A. DIEBSTAHL UND UNTERSCHLAGUNG Teil 2: Delikte des Besonderen Teils des Strafrechts
I. Diebstahl, §§ 242 ff. StGB
II. Unterschlagung, § 246 StGB
B. DELIKTE GEGEN DIE PERSÖNLICHE FREIHEIT
I. Einteilung der Delikte
II. Nötigung, § 240 StGB
III. Bedrohung, § 241 StGB
IV. Freiheitsberaubung, § 239 StGB
V. Erpresserischer Menschenraub, § 239a StGB
VI. Geiselnahme, § 239b StGB

IV

Literaturhinweise

Achenbach, Hans, Übungsklausur Strafrecht – Ein phantasiebegabter „Drücker“, Jura 1984, 602 -

ders., Zur Strafbarkeit des Leerspielens von Geldspielgeräten unter Ausnutzung der Kenntnis des Programms, JR 1994, 293-

Amelung, Knut, Irrtum und Zweifel des Getäuschten beim Betrug, GA 1977, 1- 17

Arzt, Gunther/Weber, Ulrich, Strafrecht Besonderer Teil, 3. Auflage, Bielefeld 2015

Bergmann, Marcus, „Herbe Täuschung“, JA 2008, 504-

Beulke, Werner, Klausurenkurs I, 7. Auflage, Heidelberg/Hamburg, 2016

Biletzki, Gregor C., Anmerkung zu OLG Düsseldorf Beschluss v. 29.07, NStZ 2000, 424- 425

Bock, Dennis, Grundwissen zur Anstiftung (§ 26 StGB), JA 2007, 599-

Brand, Christian, Missbrauch eines Geldausgabeautomaten durch den berechtigten EC- Karteninhaber, JR 2008, 496- 503

Callies, Rolf-Peter, Der Rechtscharakter der Regelbeispiele im Strafrecht, NJW 1998, 929-

Elsner, Stephan, §§ 239 a, 239 b StGB in der Fallbearbeitung – Deliktsaufbau und (bekannte und weniger bekannte) Einzelprobleme, JuS 2006, 784-

Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 66. Auflage, München 2019

Gaede, Karsten, Die strafbare Beihilfe und ihre aktuellen Probleme – Die gelungene Prüfung der §§ 27 und 28 StGB, JA 2007, 757- 762

Gössel, Karl Heinz, Strafrecht Besonderer Teil 2, Straftaten gegen materielle Rechtsgüter des Individuums, Heidelberg 1996

Hanft, Christian, Bewilligung kompensationsloser Anerkennungsprämien durch den Auf- sichtsrat einer Aktiengesellschaft als Untreue – Fall Mannesmann, Jura 2007, 58- 61

Hannich, Kai/Röhm, Peter, Die Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Betrugs- und Untreuestrafrecht, NJW 2004, 2061-

Hellmann, Uwe, Risikogeschäfte und Untreuestrafbarkeit, ZIS 2007, 433-

V

Herzberg, Rolf Dietrich, Funktion und Bedeutung des Merkmals „Irrtum“ in § 263, GA 1977, 289 -

Hilgendorf, Eric, Grundfälle zum Computerstrafrecht, JuS 1997, 130-

Hillenkamp, Thomas/Cornelius, Kai, 32 Probleme aus dem Strafrecht AT, 15. Auflage, Mün- chen 2017

ders., 40 Probleme aus dem Strafrecht BT, 12. Auflage, München 2013

Jähnke, Burkhard/Laufhütte, Heinrich Wilhelm/Odersky, Walter, Strafgesetzbuch: Leipziger Kommentar, Band 6: §§ 223 -263a, 12. Auflage, Berlin 2011

dies., Strafgesetzbuch: Leipziger Kommentar, Band 7: §§ 264-302, 11. Auflage, Berlin 2006

Joecks, Wolfgang/Jäger, Christian, Strafgesetzbuch: StGB Studienkommentar, 12. Auflage, München 2017

Kindhäuser, Urs/Böse, Martin, Strafrecht Besonderer Teil II, Straftaten gegen Vermögens- rechte, 10. Auflage, Baden-Baden 2019

ders./Neumann, Ulfrid/Paeffgen, Hans-Ullrich, Strafgesetzbuch, Band 3: §§ 232-358, 5. Auf- lage, Baden-Baden 2017

Kempny, Simon, Überblick zu den Geldkartendelikten, JuS 2007, 1084-

Koch, Arnd, Grundfälle zur mittelbaren Täterschaft, § 25 I Alt. 2 StGB (erster Teil), JuS 2008, 399 -

ders., Grundfälle zur mittelbaren Täterschaft, § 25 I Alt. 2 StGB (zweiter Teil), JuS 2008, 496- 499

Krey, Volker/Hellmann, Uwe/Heinrich, Manfred, Strafrecht Besonderer Teil 1, Nichtvermö- gensdelikte, 16. Auflage, Stuttgart 2015

dies., Strafrecht Besonderer Teil 2, Vermögensdelikte, 17. Auflage, Stuttgart 201 5

Kühl, Kristian, Die strafrechtliche Garantenstellung – Eine Einführung mit Hinweisen zur Ver- tiefung, JuS 2007, 497-

Kühl, Kristian, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage, München 2017

Küper, Wilfried/Zopfs, Jan, Strafrecht Besonderer Teil, 10. Auflage, Heidelberg 2018

Lackner, Karl/Kühl, Kristian, Strafgesetzbuch, 29. Auflage, München 2018

Kratzsch, Dietrich, Das „Räuberische“ am räuberischen Diebstahl, JR 1988, 397-

VII

Perron, Walter, Schutzgut und Reichweite des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB), GA 1989, 145-

Ranft, Otfried, Kreditkartenmißbrauch bei mißbräuchlicher Benutzung einer Kundenkarte?, NStZ 1993, 185-

ders., Der Kreditkartenmissbrauch (§ 266b Alt. 2 StGB), JuS 1988, 673-

Rengier, Rudolf, Strafrecht Besonderer Teil I, Vermögensdelikte, 20. Auflage, München 2018

ders., Strafrecht Besonderer Teil II, Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit, 19. Auf- lage, München 2018

Rudolphi, Hans-Joachim/Horn, Eckhard, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Besonderer Teil: §§ 201–266b, Frankfurt am Main/Köln (Loseblatt, Stand: 39. Lieferung 1996)

Saliger, Frank, Rechtsprobleme des Untreuetatbestandes, JA 2007, 326-

Satzger, Helmut, Teilnehmerstrafbarkeit und Doppelvorsatz, Jura 2008, 514-

Schlösser, Jan, Der Schaden der Siemens-Entscheidung, HRRS 2009, 19- 28

Schönke, Adolf/Schröder, Horst, Strafgesetzbuch, 30. Auflage, München 2019

Schünemann, Bernd, Raub und Erpressung (3), JA 1980, 486-

Stratenwerth, Günter/Kuhlen, Lothar, Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage, München 2011

Walter, Tonio, Zur Lehre von den Konkurrenzen: Handlungseinheit und Handlungsmehrheit, JA 2004, 572-

Wessels, Johannes/Beulke, Werner/Satzger, Helmut, Strafrecht Allgemeiner Teil, 48. Auflage, Heidelberg 2018

Wessels, Johannes/Hettinger, Michael/Engländer, Armin, Strafrecht Besonderer Teil 1, Straf- taten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 42. Auflage, Heidelberg 2018

Wessels, Johannes/Hillenkamp, Thomas/Schuhr, Jan C., Strafrecht Besonderer Teil 2, Strafta- ten gegen Vermögenswerte, 41. Auflage, Heidelberg 2018

Wohlleben, Marcus, Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, München 1 996

Zopfs, Jan, Der Tatbestand des Diebstahls – Teil 1, ZJS 2009, 506

1

TEIL 1: Allgemeiner Teil des Strafrechts

A. DAS UNTERLASSUNGSDELIKT

I. Allgemeines

V. Formen der Teilnahme

 Es gibt zwei Formen der Unterlassungsstraftaten:

Echte Unterlassungsdelikte Unechte Unterlassungsdelikte

Merkmale - Delikte, bei denen das Unterlassen schon im Tatbestand selbst explizit als strafbare Handlung beschrieben wird. - Unter Strafe gestellt wird der Ver- stoß gegen diese GEBOTSNORM durch das bloße Unterlassen der geforderten Tätigkeit. - Es kommt also nicht auf den Eintritt eines Erfolges an. - Die Delikte enthalten ein für alle geltendes Gebot, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, etwa zum Zwecke der Schadensverhütung Hilfe zu leisten.

Straftaten, bei denen der Täter die Abwendung eines Erfolges unterlassen hat, obwohl er dazu als sog. Garant für das Rechtsgut verpflichtet gewesen wäre, vgl. § 13 StGB.
Das Unterlassen wird aufgrund der Garantenstellung der Verwirklichung des Tatbestandes durch ein Tun gleich- gestellt.
Der Täter verletzt eine ihm auferlegte Pflicht zur Erfolgsabwendung.
Als Tatbestände kommen Begehungs- delikte, die eigentlich eine VERBOTS- NORM enthalten, in Betracht i. V. m. § 13 StGB. Beispiele - § 138 StGB: Nichtanzeige geplanter Straftaten
§ 323 c StGB: Unterlassene Hilfeleis- tung
§ 212 (Totschlag) i. V. m. § 13 StGB: Mutter lässt ihr Kleinkind verhungern

2. Möglichkeiten der Verwirklichung

Es gibt drei Möglichkeiten der Verwirklichung:

 das vorsätzlich begangene vollendete Unterlassungsdelikt

 das vorsätzlich begangene versuchte Unterlassungsdelikt (s. § 23 Abs. 1 StGB)

 das fahrlässige Unterlassungsdelikt (§ 15 StGB)

3

2. Die Garantenstellung

a) Die neuere Lehre

 § 13 StGB setzt für die Strafbarkeit des Unterlassenden voraus, dass dieser „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche Er- folg nicht eintritt“, also sog. Garant ist.  Die Begründung dieser Garantenstellung ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.  Formelle Garantenlehre: Garantenstellungen begründen sich aus Gesetz, Vertrag, Ingerenz (= vorangegangenes gefährdendes Tun) und enger Lebensgemeinschaft.  Die neuere Lehre führt die Garantenverhältnisse auf zwei Grundpositionen zurück:

BESCHÜTZERGARANTEN ÜBERWACHUNGSGARANTEN

= besondere Schutzpflichten für = Verantwortlichkeit für bestimmte

bestimmte Rechtsgüter Gefahrenquellen

natürliche und soziale Stellung als Amtsträger Ingerenz (gefahrbe- Verbundenheit Bsp.: Polizeibeamter gründendes Vorver- Bsp.: Eltern zu ihren Sachherrschaft über halten; strittig) Kindern, Ehegatten 1 Gefahrenquellen Bsp.: Verursachung eines Unfalls Lebens- oder Freiwillige Übernahme von Gefahrengemeinschaft Schutz- und Beistandspflichten Pflicht zur Beaufsichtigung Bsp.: nichteheliche Bsp.: Arzt durch Vertrag ggü. Dritter Lebensgemeinschaft Patienten Bsp.: Eltern zu Kindern, Teilnehmer einer Bergtour

1 Vgl. zu den Grenzen BGHSt 48, 301, 304; Übersicht zum Meinungsstand bei Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 1 180 m. w. N.; Kühl, JuS 2007, 497

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b) Insbesondere: Die Ingerenz

 Ingerenz = (pflichtwidriges, strittig) gefährdendes Vorverhalten: Wer durch sein Ver- halten für Rechtsgüter Dritter die nahe Gefahr eines Schadenseintritts geschaffen hat, ist zur Abwendung des drohenden Erfolges und damit zu entsprechenden Rettungs- handlungen verpflichtet.

 Voraussetzungen:

o Störung der sozialen Schutzordnung o Herbeiführung der nahen Gefahr des Schadenseintritts o Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens? Dies ist strittig, die Darstellung folgt der von Hillenkamp, 32 Probleme AT, S. 2 47 ff.; vgl. auch Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 1195 ff.

Ausgangsfall (BGHSt 23, 327): Bei einem Streit verletzt T mit einem Messer den O schwer. T handelte dabei jedoch in Notwehr, da der O versucht hatte, ihn zu erwürgen. T verlässt den Tatort, ohne sich weiter um den hilflosen O zu kümmern. O verstirbt an den Folgen des Messerstichs. Hätte T einen Arzt gerufen, könnte O noch leben. Strafbarkeit des T?

Theorien Aussage Ergebnis im Bsp. Verursachungs- theorie

Eine Garantenstellung wird auch schon durch die Verursachung einer in Bezug auf den abzuwendenden Erfolg nahen, adäquaten Gefahr geschaffen. Pflicht- widriges Vorverhalten ist keine Voraus- setzung.

Totschlag durch Unter- lassen, §§ 212, 13 StGB

Pflichtwidrigkeits- theorie h. M. (Rspr. und Lit.)

Eine Garantenstellung aus Ingerenz setzt die Pflichtwidrigkeit des voraus- gehenden gefährlichen Tuns voraus.

Unterlassene Hilfeleis- tung gem. § 323 c StGB

Antiingerenz- theorie

Auch pflichtwidriges gefährliches Vor- verhalten schafft keine Garantenstel- lung.

Unterlassene Hilfeleis- tung gem. § 323 c StGB

 Zur Garantenstellung aus Ingerenz durch Vertrieb gesundheitsschädlicher Produkte: BGHSt 37, 106 (Lederspray-Fall)

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4. Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts

Zum Prüfungsaufbau eines versuchten Deliktes vgl. Skript Strafrecht I; siehe auch Kudlich, JA 2008, 601.

Der Versuchsbeginn

Ausgangsfall: Die Krankenschwester T beschließt, die Patientin O sterben zu lassen. Sie will ihr keine der dreimal täglich zu verabreichenden Spritzen mehr setzen. T weiß, dass O ohne Spritzen jedenfalls zwei Tage sicher überleben kann. Nachdem T ihr einen Tag lang keine Spritzen gegeben hat, erkrankt sie selbst. Die für sie einspringende Vertretungsschwester verabreicht der O am nächsten Tag – wie verschrieben – die Spritzen. Hat sich T des versuchten Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht?

 Im Gegensatz zum Regelfall der Verwirklichung eines Erfolgsdeliktes durch aktives Tun liegt bei unechten Unterlassungsdelikten zwischen Erkennen der Gefahr für ein Rechtsgut (bzw. der Entschlussfassung) und Erfolgseintritt eine gewisse Zeit.  Fraglich und umstritten ist, wann ein Unterlassungstäter innerhalb dieser Zeitspanne unmittelbar zum Versuch ansetzt. Es werden folgende Theorien vertreten (die Dar- stellung folgt der von Hillenkamp, 32 Probleme AT, S. 117 ff.):

Theorie Aussage Erg. im Bsp. Theorie des letzt- möglichen Eingriffs

Der Versuch des Unterlassens beginnt erst zu dem Zeitpunkt, in welchem der Täter nach seiner Vorstellung die rettende Hand- lung spätestens hätte vornehmen müssen, um den Erfolg zu verhindern.

Versuchter Totschlag durch Unterlassen (-)

Theorie des erst- möglichen Eingriffs

Unmittelbares Ansetzen des Unterlassungs- täters ist bereits gegeben, sobald die Hand- lungspflicht entsteht und der Täter ihr nicht nachkommt.

Versuchter Totschlag durch Unterlassen (+)

Differenzierende Theorie (wendet die allg. Kriterien an, vgl. BGHSt 40, 257, 268 f.) h. M.

Der Versuch des unechten Unterlassungsde- likts beginnt, wenn durch weitere Verzöge- rung der rettenden und gebotenen Hand- lung eine unmittelbare Gefahr für das ge- schützte Rechtsgut entsteht.

Versuchter Totschlag durch Unterlassen (-)

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B. TÄTERSCHAFT UND TEILNAHME

I. Allgemeines

1. Abgrenzung und Begriffe

 Täterschaft = die unmittelbare, mittelbare oder gemeinschaftliche Begehung einer eigenen Straftat  Teilnahme = Anstiftung oder Beihilfe zu einer fremden Tat  Beteiligte = Täter und Teilnehmer (§ 28 Abs. 2 StGB)

2. Relevante Normen: §§ 25 - 31 StGB

a) Täterschaft, § 25 StGB

Unmittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 2 StGB

 § 25 StGB: Abs. 1 Alt. 1: „Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst ... begeht.“ Abs. 2: „Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter be- straft (Mittäter).“

Mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

 § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB: „Als Täter wird bestraft, wer die Straftat ... durch einen anderen begeht.“  Strafbarkeit: Strafrahmen der jeweiligen Norm

b) Teilnahme, §§ 26, 27 StGB

Anstiftung, § 26 StGB

 § 26 StGB: „ ... wird gleich einem Täter bestraft, wer ... anderen... bestimmt hat.“  Strafbarkeit: Strafrahmen der jeweiligen Norm

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B. TÄTERSCHAFT UND TEILNAHME

Täterschaft Teilnahme Täter ist, wer die Straftat selbst Teilnehmer ist, wer einen anderen zu dessen (unmittelbarer Täter) oder durch vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat einen anderen begeht (mittelbare vorsätzlich bestimmt (Anstifter) oder ihm zu Täterschaft). einer solchen Tat vorsätzlich Hilfe leistet (Gehilfe).

Unmittelbare Mittelbare Mittäter- Neben- Anstiftung Beihilfe

Täterschaft Täterschaft schaft täterschaft § 26 StGB § 27 StGB

§ 25 Abs. 1 § 25 Abs. 1 § 25 Abs. 2

Alt. 1 StGB Alt. 2 StGB StGB

Beispiel: Beispiel: Beispiel: Beispiel: Beispiel: T nimmt das T erklärt dem W T1 und T 2 A rät dem T, seine B steht bei dem Fahrrad des O wahrheitswidrig, stehlen – ihrem finanziellen Pro- Diebstahl des T weg, um es zu der O habe ihm Plan entsprechend - bleme zu lösen, „Schmiere“, weil behalten. erlaubt, sein Rad das Rad des O, um indem er das Rad er ihm einen zu nutzen. T bittet es weiterzuverkaufen des O stehlen und Gefallen schuldig den W, es zu holen. und den Erlös zu es dann verkaufen ist. Er selbst möchte W tut es. zu teilen. soll. T ist begeistert. aus der Tat nichts Er stiehlt das Rad. erlangen.

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II. Übersicht zu Täterschaft und Teilnahme

Die Abgrenzung der Beteiligungsformen ist in Rspr. und Lehre umstritten. Wichtig ist die Abgrenzung vor allem

 zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung und  zwischen Mittäterschaft und Beihilfe.

1. Subjektive Theorie

Maßgeblich für die Abgrenzung ist der WILLE der Beteiligten:

 Täter ist, wer mit Täterwillen (animus auctoris) handelt und die Tat als eigene will,  Teilnehmer ist, wer mit bloßem Teilnehmerwillen (animus socii) handelt und die Tat nur als fremde will.

a) Extrem subjektive Theorie

Selbst derjenige, der den gesetzlichen Tatbestand selbst vollständig verwirklicht, kann ledig- lich Teilnehmer sein, wenn er kein eigenes Interesse an der Tatbestandsverwirklichung hat.

(Vertreten vom BGH im sog. „Staschynskij-Fall“, BGHSt 18, 87; heute wegen § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB überholt.)

b) Sog. normative Kombinationstheorie (neuere Rspr.)

Nach der neueren Rspr. ergibt sich der Täterwille aus einer wertenden Gesamtbetrachtung der Tatumstände (Objektivierung der subjektiven Theorie). Von Belang sind dabei insbeson- dere folgende Kriterien:

 Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat  Umfang der Tatbeteiligung  Tatherrschaft  Wille zur Tatherrschaft

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IV. Besondere Formen der Täterschaft

1. Die mittelbare Täterschaft

a) Das Prinzip

(Mittelbarer) Täter ist, wer die Straftat durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Der „Hintermann“ (mittelbarer Täter) lässt bei der Tatbegehung ein „Werkzeug“ (Tatmittler) für sich handeln; er bedient sich also fremder Hände. Der Hintermann beherrscht das Geschehen, der Tatmittler nimmt eine unterlegene Stellung ein (Defekt des Tatmittlers; Ausnahme: Figur des „Täters hinter dem Täter“).

Mittelbarer Täter Tatmittler („Hintermann“) („Werkzeug“)

Siehe zum Ganzen: Grundfälle zur mittelbaren Täterschaft bei Koch, JuS 2008, 399; Mur- mann, JA 2008, 321.

b) Gründe der Tatherrschaft

 Willensherrschaft kraft Nötigung (Nötigungsherrschaft)  Willensherrschaft kraft überlegenen Wissens (Irrtumsherrschaft)  Willensherrschaft kraft Ausnutzung von Unzurechnungsfähigkeit oder Jugendlichkeit  Willensherrschaft kraft eines organisatorischen Machtapparates (Organisationsherrschaft)

c) Mögliche Konstellationen

 das tatbestandslos handelnde Werkzeug (z. B. Selbstverletzung des Tatmittlers, vgl. „Sirius-Fall“, BGHSt 32, 38)  das vorsatzlos handelnde Werkzeug (gutgläubiges Werkzeug)  das absichtslos-dolose Werkzeug o strittig ist, ob diese Konstruktion durch die Einführung der Drittzueignungsab- sicht in §§ 242, 246 StGB überholt ist  das rechtmäßig handelnde Werkzeug  das schuldunfähige Werkzeug  das schuldlos handelnde Werkzeug  das unfrei handelnde Werkzeug (Nötigungsnotstand)  das im unvermeidbaren Verbotsirrtum handelnde Werkzeug  das qualifikationslose Werkzeug

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d) Problemfälle des „Täters hinter dem Täter“

Nach h. M. ist mittelbare Täterschaft in Ausnahmefällen auch möglich, wenn der Tatmittler selbst strafrechtlich verantwortlich ist, also keinen „Defekt“ aufweist, der Hintermann aber auf ihn eingewirkt hat.

 Hervorrufen eines vermeidbaren Verbotsirrtums: Katzenkönig-Fall, BGHSt 35, 347: T1 redet dem leichtgläubigen T2 ein, der „Katzen- könig“ verlange nach einem Menschenopfer in Gestalt der O. Sollte T2 die Tat nicht begehen, würde der „Katzenkönig“ die Menschheit ausrotten. T2 wägt ab und ent- schließt sich zur Tat, die im Versuch scheitert.

 Ausnutzen von Organisationsstrukturen und Befehlshierarchien: BGHSt 40, 218 [Fall des Nationalen Verteidigungsrates der DDR]: Der BGH hat hier mittelbare Täterschaft bei uneingeschränkt verantwortlichem Tatmittler bejaht. (Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR als mittelbare Täter der Tö- tungen von Flüchtlingen durch Grenzsoldaten.) o Vertiefend hierzu Koch, JuS 2008, 496.

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