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VL 4 - Durkheim Zusammenfassung

Kurs

Grundzüge der Soziologie II (14302596)

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Universität Trier

Akademisches Jahr: 2017/2018
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VL 4: Émile Durkheim

Grundzüge von Durkheims soziologischer Konzeption

„Zweifellos spielt das Individuum bei [der] Genese [der Gesellschaft] eine Rolle. Damit aber ein soziologischer Tatbestand vorliege, müssen mindestens einige Individuen ihre Tätigkeit vereinigt haben, und aus dieser Verbindung muss ein neues Produkthervorgegangen sein. Da diese Synthese außerhalb eines jeden von uns ... stattfindet, so führt sie notwendig zu dem Ergebnis, außerhalb unseres Bewusstseins gewisse Arten des Handelns und gewisse Urteile auszulösen und zu fixieren, die von jedem Einzelwillen für sich genommen unabhängig sind.“ „Unser Grundprinzip [ist also] die objektive Realität der sozialen Phänomene.“

Kollektivbewusstsein: Alle kulturellen, sozialen und moralischen Gewohnheiten, Überzeugungen und Bräuche (1901: 99), die „Typen des Verhaltens und des Denkens“ (1895: 106), die in einer Gesellschaft wirksamen „Glaubensvorstellungen“ und die durch sie „festgesetzten Verhaltensweisen“ (1901: 100), also „die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitgliedereiner bestimmten Gesellschaft“ (1893: 128) „[Und diese] Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzten Verhaltensweisen [kann man, so Durkheim] Institutionennennen; die Soziologiekann also definiert werden als die Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart. ... Unser Grundprinzip [ist also] die objektive Realität der sozialen Phänomene.“ (1895: 111)

Sozialtheoretische Dimension des Werkes:

  • Methodologischer Holismus (Realität sui generis)
  • Gesellschaftlichkeit wird durch Institutionen (Kollektivbewusstsein, Moral) gebildet (konstituiert)
  • Integration qua Kollektivbewusstsein

Gesellschaftstheoretische Dimension des Werkes:

  • Gesellschaften zeigen im historischen Prozess unterschiedliche Ausprägungen von Institutionen und des Kollektivbewusstseins und somit von Integrationsformen

Methodologische und methodische Grundlegung

„Was ist ein soziologischer Tatbestand?“ – Methodologische Prinzipien der Soziologie

„Das Gebiet der Soziologie ... umfasst nur eine begrenzte Gruppe von Erscheinungen. Ein soziales Phänomen ist an der äußerlich verbindlichen Macht zu erkennen, die es über die Einzelnen ausübt oder auszuüben imstande ist; und das Vorhandensein dieser Macht zeigt sich wiederum an entweder durch das Dasein einer bestimmten Sanktion[deshalb in der Arbeitsteilung Analyse über das Recht] oder durch den Widerstand, den das Phänomen jedem Beginnen des Einzelnen entgegensetzt, das ihn zu verletzen geeignet ist.“

Institution: „Ein soziologischer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im

Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.“ (1895: 114)

Erstes methodologisches Prinzip Durkheims: „Die erste und grundlegendste Regel besteht darin, die soziale Tatbestände [soziologisch] wie Dinge zu betrachten. ... Ein Ding ist alles, was gegeben ist, was sich der Beobachtung anbietet oder vielmehr sich ihr aufdrängt. ... Was uns gegeben ist, ... ist die Gesamtheit der Regeln, die das Handeln tatsächlich bestimmen. ... [Es] wird ein Ding hauptsächlich daran erkannt, dass es durch einen bloßen Willensentschluss nicht veränderlich ist. ... Wir müssen die sozialen Erscheinungen in sich selbst betrachten, losgelöst von den bewussten Subjekten, die sie sich vorstellen; wir müssen sie von außen, als Dinge der Außenwelt betrachten.“ (1895: 115, 125, 126)

Zweites methodologisches Prinzip Durkheims: „Der erste Ursprung eines jeden sozialen Vorgangs ... muss in der Konstitution des inneren sozialen Milieus gesucht werden“ –d. Soziales ist durch Soziales zu erklären. (1895: 194f.)

Dreigliedriges Erklärungsprogramm der Soziologie (i) Funktion eines sozialen Tatbestandes (ii) Kausale Entstehung eines sozialen Tatbestandes (iii) Unterscheidung des Normalen vom Pathologischen eines sozialen Tatbestandes

Erster Schritt des Erklärungsprogramms Funktion eines zu untersuchenden Gegenstandes: „Die Funktion eines sozialen Phänomens kann nicht anders als sozial sein, d. sie besteht in der Erzeugung von Wirkungen, die sozial nützlich sind. ... Die Funktion eines sozialen Phänomens muss immer in Beziehung auf einen sozialen Zweck untersucht werden.“ (1895: 193)

Zweiter Schritt des Erklärungsprogramms Kausale Entstehung eines sozialen Phänomens: „Die Erklärung eines sozialen Phänomens ... muss die wirkende Ursache, von der es erzeugt wird“ untersuchen. ... „Die bestimmende Ursache eines soziologischen Tatbestandes muss in den sozialen Phänomenen, die ihm zeitlich vorausgehen ... gesucht werden. Der erste Ursprung eines jeden sozialen Vorgangs ... muss in der Konstitution des inneren sozialen Milieus gesucht werden.“ (1895: 181, 193)

Dritter Schritt des Erklärungsprogramms Unterscheidung des Normalen vom Pathologischen: „Wir werden diejenigen Tatbestände normal nennen, die die allgemeinen (d. also typischen, sich regelmäßig zeigenden) Erscheinungsweisen zeigen, und wir werden den anderen [Tatbeständen, die nur ausnahmsweise vorkommen,] den Namen krankhaft oder pathologisch beilegen.“ (1895: 148)

Zusammenfassung Zwei methodologische Prinzipien:

  • Soziale Tatbestände soziologisch wie Dinge betrachten
  • Soziales durch Soziales erklären

Drei Schritte eines Erklärungsprogramms für die soziologische Interpretation historisch-

„traditionale Gesellschaften“ „moderne Gesellschaften“ Arbeitsteilung gering ausgeprägt stark ausgeprägt, komplex funktional Sozialitätstyp natürlich gewachsene Beziehungen (Horde, Clan, Stamm)

vertragliche geregelte Beziehungen natürliches Milieu

qua Geburt qua Beruf

Differenzierungs- form

Segmentär (Ähnlichkeit der Teile)

Funktional (Spezifizität der Teile) Solidaritätstyp mechanische Solidarität organische Solidarität Individualismus weniger ausgeprägt: keine Individualität, kaum individuelle Freiräume: Austauschbarkeit der Biographien

stärker ausgeprägt: weitreichende individuelle Freiheitsräume, Individualisierung und Pluralität der Gruppen

Exemplarische Studie: Der „Selbstmord“

  • Soziales durch Soziales erklären: Selbstmordstudie (1897)
  • Auseinandersetzung mit der Frage nach Charakter und Zustand moderner Gesellschaft unter dem Aspekt des Verhältnisses der individuellen Person zur sozialen Solidarität, also zu einer bestimmten gesellschaftlichen Organisationsform
  • Ausgangspunkt: statistisches Phänomen einer signifikant höheren Selbstmordrate unter Protestanten zwischen 1840 und 1880 als bei Juden und Katholiken in Frankreich, obwohl in allen Bekenntnissen ein Selbstmord als religiös illegitim gilt
  • Durkheim verwirft zunächst psychische, rassenbiologische und natürliche Umweltfaktoren als für die Soziologie inadäquate Erklärungsmuster
  • Zweites methodologisches Prinzip: Es bleibt für die soziologische Analyse lediglich der Rekurs auf „soziale Ursachen“ übrig: „Soziales durch Soziales erklären“
  • Erklärung: Verhältnis des Ausmaßes sozialer Kontrolle innerhalb der Religionsgemeinschaften einerseits und des Individualisierungsgrades auf Seiten der Gläubigen andererseits
  • Unterscheidung von drei (vier) Typen sozialer Ursachen für das Steigen der Selbstmordrate: egoistische, altruistische, anomische und (lediglich kurz erwähnt) fatalistische

Selbstmordtypen:

  • egoistischer Selbstmord: zu geringe normative Integration des Individuums
  • altruistischer Selbstmord: zu starke normative Integration des Individuums
  • anomischer Selbstmord: normative Integration der Gesellschaft fehlt gänzlich
  • fatalistischer Selbstmord: vollständige Bestimmung der Handlungen des Individuums durch die sozialen Normen

Verhältnis zwischen beiden Dimensionen entscheidend

Ausmaß sozialer Kontrolle Hoch niedrig

Individuali- sierungsgrad

Hoch Fatalistischer Selbstmord

Egoistischer Selbstmord

hoch Selbstmordrate

niedrig Altruistischer Selbstmord

Anomischer Selbstmord

Niedrig

Selbstmordtyp Hintergrund Regulierungstyp Egoistisch Exzessiver Individualismus Unterregulierung Altruistisch Exzessiver Kollektivismus Überregulierung Anomisch Mangelnde soziale Kontrolle Unterregulierung Fatalistisch Übermäßige soziale Kontrolle Überregulierung

Lösung für das moralische Dilemma, die moralische Krise der Gegenwart:

  • Aufbau einer neuen Moral, die dort ansetzt, wo die Menschen in modernen Gesellschaften Durkheim zufolge den größten Teil ihrer Zeit verbringen: am Arbeitsplatz
  • D. Berufsgruppen als Träger einer Moral individualisierter und funktional differenzierter Gesellschaften

Religionsgemeinschaft Selbstmordrate Sozialideal (Individualisierungsgr ad)

Ausmaß sozialer Kontrolle Protestanten hoch Individualismus niedrig Anglikaner mittel schwacher Kollektivismus

mittel

Katholiken niedrig Kollektivismus hoch Juden niedrig starker Kollektivismus

niedrig

Aspekt Durkheim Ansatz methodologischer Holismus (‚Positivismus‘) Soziologieverständnis Wissenschaft von den Institutionen (Zwang) Methodik soziologische Tatbestände wie Dinge betrachten Erklärungsvorstellung Soziales durch Soziales erklären (Dreischritt: kausal, funktional, pathologisch) Gesellschaftsbegriff moralische Tatsache (Realität sui generis); zugleich Arbeitsteilungs- und Solidaritätszusammenhang Gesellschaftstypen Segmentär differenzierte (traditionale) und funktional differenzierte (moderne) Gesellschaften Macht und Herrschaft Der normierende Zwang von Institutionen Soziale Ungleichheit Klassifikationssysteme Sozialer Wandel offener Prozess; dynamisierender Faktor: Volumen und Dichte der Bevölkerung; Arbeitsteilungs-formen Soziale Differenzierung segmentäre –funktionale Differenzierung

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Grundzüge von Durkheims soziologischer Konzeption
„Zweifellos spielt das Individuum bei [der] Genese [der Gesellschaft] eine Rolle. Damit aber
ein soziologischer Tatbestand vorliege, müssen mindestens einige Individuen ihre Tätigkeit
vereinigt haben, und aus dieser Verbindung muss ein neues Produkthervorgegangen sein. Da
diese Synthese außerhalb eines jeden von uns ... stattfindet, so führt sie notwendig zu dem
Ergebnis, außerhalb unseres Bewusstseins gewisse Arten des Handelns und gewisse Urteile
auszulösen und zu fixieren, die von jedem Einzelwillen für sich genommen unabhängig
sind.
„Unser Grundprinzip [ist also] die objektive Realität der sozialen Phänomene.
Kollektivbewusstsein:
Alle kulturellen, sozialen und moralischen Gewohnheiten, Überzeugungen und Bräuche
(1901: 99), die „Typen des Verhaltens und des Denkens“ (1895: 106), die in einer
Gesellschaft wirksamen „Glaubensvorstellungen“ und die durch sie „festgesetzten
Verhaltensweisen“ (1901: 100), also „die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen
Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitgliedereiner bestimmten Gesellschaf
(1893: 128)
„[Und diese] Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzten
Verhaltensweisen [kann man, so Durkheim] Institutionennennen; die Soziologiekann also
definiert werden als die Wissenschaf von den Institutionen, deren Entstehung und
Wirkungsart. ... Unser Grundprinzip [ist also] die objektive Realität der sozialen Phänomene.
(1895: 111)
Sozialtheoretische Dimension des Werkes:
- Methodologischer Holismus (Realität sui generis)
- Gesellschaftlichkeit wird durch Institutionen (Kollektivbewusstsein, Moral) gebildet
(konstituiert)
- Integration qua Kollektivbewusstsein
Gesellschafstheoretische Dimension des Werkes:
- Gesellschaften zeigen im historischen Prozess unterschiedliche Ausprägungen von
Institutionen und des Kollektivbewusstseins und somit von Integrationsformen
Methodologische und methodische Grundlegung
Was ist ein soziologischer Tatbestand?“ – Methodologische Prinzipien der Soziologie
„Das Gebiet der Soziologie ... umfasst nur eine begrenzte Gruppe von Erscheinungen. Ein
soziales Phänomen ist an der äußerlich verbindlichen Macht zu erkennen, die es über die
Einzelnen ausübt oder auszuüben imstande ist; und das Vorhandensein dieser Macht zeigt
sich wiederum an entweder durch das Dasein einer bestimmten Sanktion[deshalb in der
Arbeitsteilung Analyse über das Recht] oder durch den Widerstand, den das Phänomen
jedem Beginnen des Einzelnen entgegensetzt, das ihn zu verletzen geeignet ist.
Institution:
„Ein soziologischer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die
die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im