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Zusammenfassung von Kapitel 1 Entwicklungspsychologie I

Zusammenfassung des ersten Kapitels vom Buch ‚Entwicklungspsychologie...
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Entwicklungspsychologie I (602.111)

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Universität Graz

Akademisches Jahr: 2021/2022
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Zusammenfassung – Entwicklungspsychologie 1

Kapitel 1

1955: bislang einzigartige Untersuchung von Emmy Werner – Ziel: Wie wirken sich biologische und umweltbedingte Faktoren auf das intellektuelle, soziale und emotionale Wachstum von Kindern aus?

Wissenschaftliche Begleitung des gesamten Geburtenjahrgangs 1955 auf Kauai (Hawaii) mit 698 Kinder über 30 Jahre hinweg! Langzeitstudie (mit repräsentativer Stichprobe) Datenerhebung durch: o Informationen über Geburtskomplikationen o Familienbeobachtungen und Elternbefragungen im Alter von 1-10 Jahren o Interviews mit Lehrkräften o Einsicht in Akten + standardisierte Intelligenz- und Persönlichkeitstests zw. 10-18 Jahren o Interviews im Alter von 18-30 Jahren (wie sie ihre eigene Entwicklung einschätzen)

Identifikation biologischer und sozialer Risikofaktoren, aber auch Untersuchung protektiver Faktoren, die Resilienz hervorrufen können!

Ergebnisse: Untersuchung zeigte, dass sowohl umweltbedingte als auch biologische Faktoren die Kindesentwicklung beeinflussen. o bei Komplikationen bei Schwangerschaft o. Geburt: größere Wahrscheinlichkeit körperliche Behinderungen, Geisteskrankheiten o. Lernschwierigkeiten zu entwickeln o Qualität der häuslichen Umwelt spielt noch größere Rolle Einkommen der Eltern, ihr Bildungsstand und ihre geistige Gesundheit wirkten sich – zusammen mit der Qualität der Beziehung zwischen den Eltern – besonders stark auf die spätere Entwicklung aus! o Kinder die ernsthafte Schwierigkeiten bei Geburt hatten, die jedoch in einer harmonischen Familie lebten waren mit 2 Jahren mit ihren sprachlichen und motorischen Fähigkeiten fast so weit wie Kinder ohne Anfangsprobleme o Im Alter von 10 Jahren gingen Komplikationen bei Geburt nur dann mit Entwicklungsbeeinträchtigungen einher wenn sowohl Umwelt als auch Bedingungen schlecht waren: schwere Verhaltens- & Lernprobleme, mit 18 polizeilich erfasst oder schwanger! ein Drittel der Kinder hat sich trotzdem gut entwickelt! Resilienz: Die Fähigkeit, trotz negativer Umstände und Einflüsse seine körperliche und geistige Entwicklung aufrechterhalten.

Warum untersucht man die Kindesentwicklung?

  1. Kinder erziehen: Volkstheorien beeinflussen Erziehungspraktiken o „spare the rod and spoil the child” VS “baby is born to be a friendly human being” o Hilft Eltern (Tagesmüttern, Erziehern, Lehrern) bei der Beantwortung von wichtigen Fragen zum Thema Erziehung bzw. Umgang mit Kindern o In einer US-amerikanische Studie gaben 80% der befragten Eltern an, ihr Kind schon einmal geschlagen zu haben (27% in Woche vor Befragung) o Entwicklung von Techniken, wie Kinder leichter lernen mit ihren Gefühlen umzugehen Beispiel: Reaktion auf Wutanfälle - Alternativen zum Schlagen: „Schildkrötenmethode“ war sehr erfolgreiches Programm (positiven Wirkungen 2 Jahre danach noch nachweisbar) , Programm „Faustlos“ in Kindergärten (Empathie, Impulskontrolle und Umgang mit Ärger und Wut), Time-Out oder Eltern zeigen Verständnis, lenken sie von Quelle des Ärgers ab und helfen Kindern positive Alternativen zu finden!

  2. Sozialpolitische Entscheidungen treffen: o Die Erforschung der Kindesentwicklung liefert Informationen, die für viele politische Entscheidungen relevant sein können, die Kinder allgemein betreffen! o Kinder als Zeugen: mehr als 40% der Kinder, die im Zusammenhang mit sexuellen Missbrauch aussagen sind keine 5 Jahre alt und fast 40 % der Kinder in stichhaltigen Fällen sind jünger als 7 Jahre! ihre Aussagen sind sehr wichtig Experiment: inwieweit falsche Befragungen sich

auf die Genauigkeit der Erinnerung an Berührungen beeinflusst: Kinder sollten im Rahmen eines Spiel Körperteile von sich selbst und anderen berühren nach 1 Monat wurden sie befragt

(Interviewerin wurde zuvor über die berührten Körperteile informiert -manchmal auch falsch)

Ergebnis: in der Art des Fragestellens, mit der sich die Befragenden bemühten, die Erinnerungen der Kinder zu erfassen, spiegeln häufig diejenige Versionen der Ereignisse wieder, die man ihnen zuvor vermittelt. Falls die Beschreibung eines Kindes dem wiedersprach was erwartetet wurde, wiederholte man die Frage daraufhin nahmen die Kinder an, dass die gegebene Antwort falsch sei und stimmten den Befragenden zu mit wiederholtem Nachfragen wurden die Kinder immer überzeugter, die Annahmen und Überzeugungen, die die befragende Person über einen Ereignisablauf besitzt, können somit die Antworten der Kinder über ihre Erlebnisse beeinflussen. (Suggestivfragen) 3 – 5 jährige Kinder können zuverlässige Zeugen sein, wenn man sie vor Suggestivfragen schützt, man sollte die Fragen auf neutrale Weise stellen und sie nicht wiederholen, wenn das Kind sie bereits beantwortet hat. auch

sind anatomisch naturgetreue Puppen nicht ratsam, da die Grenze zwischen

fantasievollem Spiel und erinnerter Wirklichkeit verschwimmt!

o Krippenplätze/Vorschulprogramme/Schulpflicht

  1. Das Wesen des Menschen verstehen: o Wann beginnt Lernen? Wann unterscheiden sich Kinder in ihrer Intelligenz und Persönlichkeit? Wie sehen die Langzeitwirkungen von Deprivation aus? o Durch die Möglichkeit den Entwicklungsprozess zu beobachten, zu beschreiben und zu erklären, sind unsere Kenntnisse über Kinder und das Wesen des Menschen gestiegen! o Untersuchung: Kinder in rumänischen Waisenhäuser in späten 1980ern und frühen 1990ern lebten in Deprivation (= der Entzug von Anreizen, der die geistige und körperliche Entwicklung eines Kindes massiv beeinträchtigt – keine Interaktionen, nicht einmal beim Füttern) später von liebevollen Eltern adoptiert Kinder waren massiv unterernährt und körperlich und geistig unterentwickelt Langzeitwirkungen: man untersuchte 150 dieser Kinder mit 6 Jahren und mit 11 Jahren Zeitpunkt der Erfahrungen beeinflusst deren Wirkung Kinder waren flexibel genug um die Wirkung der Deprivation zu kompensieren solange sie nicht über die ersten 6 Lebensmonate hinaus andauerte (dann vergleichbares geistiges Niveau mit 6 Jahren wie die britische Kontrollgruppe) waren sie länger in dem Waisenhaus konnte die Wirkung selten kompensiert werden! 20 % der Kinder die nach dem 6. Lebensmonat adoptiert wurden, zeigten extrem abweichendes Sozialverhalten!

Für die Untersuchung der Kindesentwicklung gibt es mindestens drei gute Gründe: Man kann die Erziehung der eigenen Kinder verbessern, zur Verbesserung der sozialen Situation von Kindern im Allgemeinen beitragen und die Natur des Menschen besser verstehen.

Historische Wurzeln der Beschäftigung mit Kindesentwicklung:

Von der griechischen Antike – Anfang 20 orientierten sich Schlussfolgerungen an philosophischen Wissensgrundsätzen und stützten sich auf formlose unsystematische Beobachtungen!

Mechanistische Sichtweise: Mensch ist inhärent passiv, reagiert auf Stimulation durch die Umwelt; Bestimmte Verhaltensweisen können mit dem Alter zu- oder abnehmen – graduelle, aber keine qualitativen Veränderungen; Entwicklung ist eher ein kontinuierlicher Prozess

Organismische Sichtweise: Mensch als biologischer Organismus, der in Interaktion mit der Umwelt die eigene Entwicklung bewirkt. Im Vordergrund steht biologisch determinierte Reifung; Betonung der Interaktion zwischen Reifung und Erfahrung, die zu neuen, internen psychologischen Strukturen zur Verarbeitung der Umwelt führt; Aktive Konstruktion

Frühe philosophische Ansichten zur Kindesentwicklung:

Genom besteht aus DNA und Proteine, die die Gene ein- und ausschalten können und so

deren Ausprägung (Expression) regulieren! Epigenetik Erforschung der bleibenden Veränderungen bei der Genexpression, die durch Umwelteinflüsse bewirkt werden können! o Methylierung: ein biochemischer Prozess, der die Ausprägung einer Reihe von Genen vermindert und insbesondere bei der Regulation von Stressreaktionen beteiligt ist bei Studie mit depressiven Müttern erhöhte Methylierung aus der Nabelschnur entnommenen DNA!

2 – Das aktive Kind: Wie formen Kinder ihre eigene Entwicklung?

o Neben Anlage und Umwelt trägt aber auch das Kind selbst zu seiner Entwicklung bei! o Auswahl worauf sie ihr Aufmerksamkeit richten Blickpräferenz: Säuglinge richten Aufmerksamkeit besonders auf Gesichter im 1. Lebensmonat bevorzugen sie schon den Blick zur Mutter gegen Ende des 2. Monats lächeln und gurren die Kinder mehr wenn sie in Gesicht der Mutter schauen wechselseitige Interaktionen stärken Bindung zwischen Mutter und Kind! o Sprachentwicklung (ca. zwischen 9 und 15 Monaten) führen oft Selbstgespräche weil Kinder aus sich heraus motiviert sind Sprache zu lernen grammatische Strukturen werden aktiv gelernt! o Spielverhalten Kinder spielen von sich aus, Belohnung liegt in der Tätigkeit selbst sie lernen dabei viel! Ab 2. Lebensjahr Fantasiespiel, welches das Wissen über sich selbst und andere fördert!

3 – Kontinuität/Diskontinuität: Inwiefern verläuft die Entwicklung kontinuierlich oder diskontinuierlich?

o Weitere Frage ist, ob Entwicklung ein kontinuierlicher Prozess (kleine Veränderungen) oder ein diskontinuierlicher (sprunghafte Veränderungen) Prozess ist! o Kontinuierliche Entwicklung – Die Vorstellung, dass altersbedingte Veränderungen allmählich und in kleinen Schritten geschehen, so wie ein Baum höher und höher wächst. o Diskontinuierliche Entwicklung – Die Vorstellung, dass zu altersbedingten Veränderungen gelegentliche größere Entwicklungsschritte gehören, so wie die Verwandlung einer Raupe zur

Puppe, die schließlich als Schmetterling schlüpft! Kinder erscheinen qualitativ

unterschiedlich Mengenkonstanz (Umschüttversuch: Glas mit Flüssigkeit umschütten in ein schmaleres Glas 4-jährige sagen in dem schmaleren Glas befindet sich mehr Flüssigkeit als vorher für 6-jährige ist wiederrum klar, dass es dieselbe Menge an Flüssigkeit bleibt! Wie kommt es zur Veränderung im Denken?

o Erklärung: Stufentheorien Annahmen, die die Entwicklung als eine Reihe von diskontinuierlichen, altersabhängigen Stadien sehen! o bekannte Stufentheorie: Jean – Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung: Kinder durchlaufen von Geburt bis zur Adoleszenz 4 Phasen, die durch jeweils unterschiedlich beschaffene geistige Fähigkeiten und durch unterschiedliche Arten, die Welt zu begreifen, gekennzeichnet sind 4- 5-jährige konzentrieren sich nur auf eine Dimension (die Höhe des Glases), 6-7jährigebefinden sich jedoch in einer Phase in der sie in der Lage sind sich auf mehrere Dimensionen zu konzentrieren bzw. zwei Informationstypen zu koordinieren (Höhe und Durchmesser des Glases)! o Aus heutiger Sicht: Entwicklung eher allmählich und nicht abrupt, je nachdem wie man es sieht Messung der Körpergröße: betrachtet man Größe im jeweiligen Alter erscheint die Entwicklung kontinuierlich → anders bei Größenzuwachs von einem Jahr zum nächsten, am meisten von Geburt bis 3 und von 12 -15 Jahren!

4 – Mechanismen entwicklungsbedingter Veränderungen: Wie kommt es zu Veränderungen?

o Wechselspiel zwischen Genomen und Umwelten → bestimmt welche Veränderungen eintreten

UND wann sie eintreten!

o Entwicklung angestrengter Aufmerksamkeit (Executive attention/control) → ist ein Aspekt des

Temperaments, willentliche Kontrolle der Gefühle und Gedanken → erfordert Prozesse wie das hemmen der Impulse, das Kontrollieren der Emotionen und das Konzentrieren der Aufmerksamkeit → Untersuchung der Gehirnaktivität → besonders ausgeprägte Aktivität in den Verbindungen zwischen dem vorderen Cingulum (beim Setzen und Verfolgen eigener Ziele aktiven Gehirnstruktur) und dem limbischen System (für emotionale Reaktionen wichtiger Teil

des Gehirns)

o Ausstattung der Gene beeinflusst angestrengte Aufmerksamkeit → Niedrige elterliche Fürsorge

beeinflusst angestrengte Aufmerksamkeit nur bei Kindern mit entsprechender Genausstattung

und nicht bei Kindern ohne besondere Form des Gens!

o Bestimmte Gene beeinflussen die Erzeugung wichtiger Neurotransmitter (= chemische

Substanzen die an der Infoübertragung innerhalb des Gehirns beteiligt sind)

o Erfahrung/Training beeinflusst wiederum Gehirnprozesse und die Expression der Gene! → Studie

mit 6 Jährigen → fünftätiges computerbasiertes Trainingsprogramm um angestrengte

Aufmerksamkeit zu verbessern → erfolgreich, auch besser in Intelligenztests abgeschnitten!

5 – Der soziokulturelle Kontext: Wie wirkt sich der soziokulturelle Kontext auf die Entwicklung aus?

o Soziokultureller Kontext: die materiellen, sozialen, kulturellen, ökonomischen und zeitgeschichtlichen Umstände, die die Umwelt eines Kindes bilden! o Unmittelbare Umgebung: Eltern, Geschwister, Lehrer, Freunde) + Materielle Umwelt: Wohnung, Nachbarschaft, Schule (UK: Extreme Unterschiede) + Soziokultureller Kontext: Schulsystem, Kirche, Vereine + Gesellschaft: Wohlstand, Werte, Glaubenshaltungen, Gesetze, Politische Struktur o Weniger offensichtlichen soziokulturelle Faktoren: historische Epoche, ökonomische Struktur, kulturelle Überzeugungen und kulturelle Werte

o Bsp.: Schlafarrangements – werden durch kulturelle Werte beeinflusst → westliche Kultur:

Individualität, schätzt Unabhängigkeit und Selbstvertrauen (Nach 6 Monaten schlafen Kinder im eigenen Zimmer) – viele Zubettgeh-Rituale VS Maya-Kultur: schätzt wechselseitige Abhängigkeit

der Menschen (bis 2-3 Jahren mit Mutter gemeinsam schlafen), keine Zubettgeh-Rituale → hat

mit Kindeswohl wenig zu tun (Kinder schlagen allein länger durch) o Sozioökonomischer Status: ein Maß für die soziale Schicht, dass auf Einkommen und Bildung

basiert → wirkt sich besonders stark auf das Leben der Kinder aus → Kinder aus armen Familien

schneiden in vielfacher Hinsicht schlechter ab, als andere Kinder (kleinerer Wortschatz,

niedrigerer IQ, Schwierigkeiten bei Mathe- und Leseaufgaben) → besuchen aufgrund von

Armut schlechtere Schulen, Kinderstätten, wachsen in gefährlicheren Gegenden auf! o Resiliente Kinder (= Kinder die trotz schlechter Umstände, die körperliche und geistige

Gesundheit aufrechterhalten) → zeichnen sich durch 3 Merkmale aus:

  1. Positive persönliche Eigenschaften: wie hohe Intelligenz, gelassene Persönlichkeit und Anpassungsfähigkeit
  2. Enge Beziehung zu mindestens einem Elternteil
  3. Enge Beziehung zu mindestens einem weiteren Erwachsenen neben den Eltern (z:

Großvater/mutter, Lehrer, Freund der Familie..)

o 1-2 Risikofaktoren haben überschaubaren Einfluss → ab 3 Risikofaktoren schnallt es in die Höhe!

Für die wissenschaftliche Methode ist es entscheidend, Messwerte zu erhalten, die für die zu prüfende Hypothese relevant sind!

Eigenschaften, die gute Messungen besitzen müssen, sind:

Reliabilität (Zuverlässigkeit) → das Ausmaß, in dem unabhängig voneinander durchgeführte Messungen

eines bestimmten Verhaltens übereinstimmen!

o Interrater-Reliabilität → das Ausmaß, in dem die Beobachtungen mehrerer Beurteiler, die alle

dasselbe Verhalten einschätzen, übereinstimmen! → Ratings können qualitativ sein (Bindung

eines Babys an seine Mutter als „sicher oder „unsicher“ einstufen) oder quantitativ (auf Skala 1 bis 10 auswählen)

o Test-Retest-Reliabilität → das Ausmaß der Ähnlichkeit von Leistungsmessungen, die zu

unterschiedlichen Zeiten erhoben wurden → Vokabeltest wird in einer Woche zweimal

vorgegeben und liefert die gleichen Ergebnisse bei den Kindern → dann ist Test reliabel!

Validität (Gültigkeit) → das Ausmaß, in dem ein Test das misst, was er messen soll!

o Interne Validität → das Ausmaß, in dem sich experimentelle Effekte auf Variablen zurückführen

lassen, die im Test bewusst manipuliert wurden!

o Externe Validität → das Ausmaß, in dem sich Befunde über die jeweilige Untersuchung hinaus

verallgemeinern lassen! → in Untersuchungen zur Kindesentwicklung besteht das Ziel darin, zu

allgemeingültigen Schlüssen zu kommen!

Rahmenbedingungen der Datenerhebung:

Zu Beginn gab es philosophische Überlegungen (Aristoteles, Platon), aber noch keine empirischen Untersuchungen. Später kam es zu Beobachtungen einzelner Kinder (Tagebücher):

Babytagebücher: o Charles Darwin (1877) beschreibt erstgeborenen Sohn William Erasmus („Doddy“) o Clara und William Stern (~1928) beschreiben Spracherwerb ihrer drei Kinder („Die Kindersprache“) o Vorteile: Beobachter kennt Kind sehr gut und kann daher Entwicklung detailliert beschreiben + Beobachtungen können als Grundlage zur Theorieentwicklung genutzt werden, die dann systematisch überprüft wird o Nachteile: Generalisierbarkeit + Beobachtungen sind unsystematisch

Dann kam der Fortschritt durch die wissenschaftliche Methode!

1. Interviews: o Strukturiertes Interview: Forschungsverfahren, bei dem alle Teilnehmer dieselben Fragen

beantworten sollen → indem eine große Zahl von Kindern dieselben Fragen

beantworten, lassen sich schnell und auf direktem Weg wissenschaftliche Aussagen treffen!

o Klinisches Interview: Verfahren, bei dem die Fragen in Abhängigkeit von den Antworten

des Befragten angepasst werden → ist besonders nützlich, um eingehende

Informationen über ein einzelnes Kind zu erhalten!

Vorteile: Interviews produzieren große Datenmengen in recht kurzer Zeit und können

eingehende Informationen über einzelne Kinder liefern!

Nachteile: Antworten sind oft verzerrt, Kinder geben über vergangene Ereignisse nicht

immer korrekte Auskunft→ vermeiden es, enthüllende Tatsachen preiszugeben, die sie

selbst in ein schlechtes Licht setzen, verdrehen den Gang der Ereignisse und verkennen ihre eigenen Motive!

2. Naturalistische Beobachtung / Feldbeobachtung – v. soziale Interaktionen: o Hausbesuche zur Beobachtung der Familiensituation o Aufnahmen der natürlichen Sprachproduktion Problem: Wird relevantes Verhalten überhaupt gezeigt? Interpretation der beobachteten Unterschiede? o Vorteil = natürliche Umgebung o Man bleibt unauffällig im Hintergrund der jeweiligen Situation, um das interessierende

Verhalten der beobachteten Personen möglichst nicht zu beeinflussen → die

Untersuchung des kindlichen Verhaltens in seiner üblichen Umgebung, ohne Einflussnahme des Forschers o Beispiel: Untersuchung der Familiendynamik von Gerald Patterson o Feldbeobachtungen erbringen zwar detaillierte Informationen über bestimmte Aspekte

des kindlichen Alltagslebens - unterliegen jedoch Einschränkungen → viele wichtige

Verhaltensweisen treten nur gelegentlich auf, so dass Forscher selten Gelegenheit

haben, sie überhaupt zu Gesicht zu bekommen und zu untersuchen → Lösung:

Strukturierte Beobachtungen!

3. Strukturierte Beobachtung: o ein Verfahren, bei dem jedem Kind die gleiche Situation dargeboten und sein Verhalten aufgezeichnet wird! o um spezifische Hypothesen zu prüfen o Vorteil gegenüber Feldbeobachtung: es kann sichergestellt werden, dass alle Kinder auf die identische Situation stoßen, wodurch direkte Vergleiche der verschiedenen Verhaltensweisen möglich werden und die Allgemeingültigkeit der Verhaltensweisen über die verschiedenen Aufgaben hinweg bestimmt werden kann o die strukturierten Beobachtungen liefert keine so umfassenden Informationen über das subjektive Erleben einzelner Kinder o die ideale Situation für die Datenerhebung hängt davon ab, welche Aspekte für das jeweilige Untersuchungsziel die wichtigsten sind o Beispiel: (Kochanska) Studie zur Folgsamkeit: Einfluss der Mutter-Kind-Beziehung (Reaktion auf Bitte) auf Folgsamkeit (Verbot nicht mit attraktiven Spielsachen spielen zu dürfen) o Beispiel: Marshmallow-Experiemnt von Mischel (70er Jahre): Selbstkontrolle sagt späteren Umgang mit Frustration aus

o bedeutet, dass die Probanden nach dem Zufall auf die verschiedenen Gruppen aufgeteilt werden o sind dadurch vergleichbar o ist wichtig um später Rückschlüsse darauf ziehen zu können, inwieweit die variierten experimentellen Bedingungen in den verschiedenen Gruppen die Ursache der später beobachteten Unterschiede sind o Geschlecht und Alter kann man nicht randomisieren – deshalb viele Quasi- Experimente!

  1. Experimentelle Kontrolle: o Fähigkeit des Forschers die spezifischen Erlebnisse, mit denen die Teilnehmer der jeweiligen Untersuchungsbedingung konfrontiert werden, zu bestimmen und festzulegen o Im einfachsten Experimentaldesign: zwei Gruppen o Experimentalgruppe: in dieser Gruppe wird den Teilnehmern die interessierende Einflussgröße dargeboten o Kontrollgruppe: Die Teilnehmer werden identisch behandelt, außer dass ihnen die entscheidende Einflussgröße nicht dargeboten wird o Die Einflussgröße die die Teilnehmer in der Experimentalgruppe erfahren und die Kontrollgruppe nicht erfährt ist die unabhängige Variable o das Verhalten auf das die unabhängige Variable hypothesengemäß Einfluss nehmen soll, ist die abhängige Variable

Hypothese: Kinder die einen Film mit Anti – Bullying Inhalt sehen ärgern ihre Mitschüler weniger → per

Zufall in zwei Gruppen → unabhängige Variable: Sehen des Films mit Anti-Bullying Inhalt → abhängige

Variable: Verhalten zu Mitschülern → Experimentaldesigns sind die Methode der Wahl, wenn es um

Kausalbeziehungen zwischen Ursache und Wirkung geht → können jedoch nicht bei allen Themen

eingesetzt werden

Designs für die Untersuchung von Entwicklung:

  1. Querschnittdesigns: o gebräuchlichster und einfachster Weg zur Untersuchung von altersabhängigen Veränderungen und Verläufen o dabei werden Kinder unterschiedlichen Alters hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen, Fähigkeiten oder Eigenschaften verglichen, wobei alle Kinder zu ungefähr demselben Zeitpunkt untersucht werden o damit lassen sich, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Kindern gut sichtbar machen o keine Information über die Stabilität individueller Unterschiede im Zeitverlauf oder über Veränderungsmuster von einzelnen Kindern o gibt keine Auskunft über Kontinuität der Veränderungen o Bsp: Lesefähigkeit: Schwierigkeit, gibt es verschiedene Unterrichtsmethoden, dann nur bedingt wegen Entwicklung!

o Bsp.: Lügenverhalten bei 3-, 4-, und 5-Jährigen

  1. Längsschnittstudien: o dabei wird eine Gruppe von Kindern über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt und ihre Entwicklungsveränderungen und –Verläufe beobachtet o Obwohl Längsschnittstudien Stabilität und Veränderung im Zeitlauf so gut zum Vorschein bringen, sind Querschnittdesigns üblicher o Nachteile: Längsschnittstudien sind schwieriger und zeitaufwändiger, einige der Kinder

ziehen eventuell weg oder steigen aus - dadurch werden Befunde verzerrt → participant

attrition (drop out) → oder Effekte der wiederholten Testung

o Beispiel: Beliebtheit von Kindern bei Peers zwischen 7. Und 12. Lebensjahr jährlich erfasst

o Erlaubt sowohl Erhebung von intra- als auch interpersonellen Veränderungen → Stabilität

Mikrogenetische Designs:

o Kinder, bei denen man eine Entwicklungsveränderung erwartet, werden mit Erfahrungen

konfrontiert, von denen man annimmt, dass sie die Veränderung hervorrufen → Verhalten der

Kinder wird veränderungsbegleitend genau untersucht!

o Vorteil / Ziel = Veränderungen im Detail erfassen → ist möglich, wenn das Grundmuster der

Entwicklung bereits bekannt ist, aber der genaue Prozess der Veränderung untersucht werden soll o Unterschied zu Längsschnittdesigns = Mehr Messungen, aber insgesamt kürzere Zeitspanne

o Beispiel: Erwerb der Weiterzählstrategie → 11 Wochen und 30 Sitzungen mit Additionsaufgaben

vorlegen und beobachten ab wann die Strategie zum ersten Mal verwendet wird

Sequentielle Designs:

o Wiederholte Messungen an verschiedenen Altersgruppen

Kohorteneffekt = Generationeneffekt:

o Jede Kohorte / Geburtsjahrgang hat ihre eigenen Aufwachsbedingungen, die unvergleichbar sind (historische Umstände) o darunter werden unterschiedliche Umweltkonstellationen bei Individuen verstanden, die bei altersgleichen, aber in verschiedenen Epochen Untersuchten zu differierenden Resultaten führen o sie erschweren die eindeutige Interpretation, ob Veränderungen rein entwicklungs- oder rein umweltbedingt sind (Konfundierung)

(a) Leseleistung (b) Lautunterscheidung -erste 12 Monate (c) Piaget: Mengenkonstanz – Umschüttversuch (d) Verarbeitungsgeschwindigkeit über die Lebensspanne (e) Länge der Schlafzyklen

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umweltbedingte Faktoren auf das intellektuelle, soziale und emotionale Wachstum von Kindern aus?
Wissenschaftliche Begleitung des gesamten Geburtenjahrgangs 1955 auf Kauai (Hawaii) mit 698 Kinder
über 30 Jahre hinweg! Langzeitstudie (mit repräsentativer Stichprobe) Datenerhebung durch:
o Informationen über Geburtskomplikationen
o Familienbeobachtungen und Elternbefragungen im Alter von 1-10 Jahren
o Interviews mit Lehrkräften
o Einsicht in Akten + standardisierte Intelligenz- und Persönlichkeitstests zw. 10-18 Jahren
o Interviews im Alter von 18-30 Jahren (wie sie ihre eigene Entwicklung einschätzen)
Identifikation biologischer und sozialer Risikofaktoren, aber auch Untersuchung protektiver Faktoren, die
Resilienz hervorrufen können!
Ergebnisse:
Untersuchung zeigte, dass sowohl umweltbedingte als auch biologische Faktoren die Kindesentwicklung
beeinflussen.
o bei Komplikationen bei Schwangerschaft o. Geburt: größere Wahrscheinlichkeit körperliche
Behinderungen, Geisteskrankheiten o. Lernschwierigkeiten zu entwickeln
o Qualität der häuslichen Umwelt spielt noch größere Rolle Einkommen der Eltern, ihr
Bildungsstand und ihre geistige Gesundheit wirkten sich zusammen mit der Qualität der
Beziehung zwischen den Eltern besonders stark auf die spätere Entwicklung aus!
o Kinder die ernsthafte Schwierigkeiten bei Geburt hatten, die jedoch in einer harmonischen
Familie lebten waren mit 2 Jahren mit ihren sprachlichen und motorischen Fähigkeiten fast so
weit wie Kinder ohne Anfangsprobleme
o Im Alter von 10 Jahren gingen Komplikationen bei Geburt nur dann mit
Entwicklungsbeeinträchtigungen einher wenn sowohl Umwelt als auch Bedingungen schlecht
waren: schwere Verhaltens- & Lernprobleme, mit 18 polizeilich erfasst oder schwanger! ein
Drittel der Kinder hat sich trotzdem gut entwickelt! Resilienz: Die Fähigkeit, trotz negativer
Umstände und Einflüsse seine körperliche und geistige
Entwicklung aufrechterhalten.
Warum untersucht man die Kindesentwicklung?
1. Kinder erziehen:
Volkstheorien beeinflussen Erziehungspraktiken
o „spare the rod and spoil the child” VS “baby is born to be a friendly human being”
o Hilft Eltern (Tagesmüttern, Erziehern, Lehrern) bei der Beantwortung von wichtigen Fragen zum
Thema Erziehung bzw. Umgang mit Kindern
o In einer US-amerikanische Studie gaben 80% der befragten Eltern an, ihr Kind schon einmal
geschlagen zu haben (27% in Woche vor Befragung)
o Entwicklung von Techniken, wie Kinder leichter lernen mit ihren Gefühlen umzugehen
Beispiel: Reaktion auf Wutanfälle - Alternativen zum Schlagen: „Schildkrötenmethode“ war
sehr erfolgreiches Programm (positiven Wirkungen 2 Jahre danach noch nachweisbar) ,
Programm „Faustlos“ in Kindergärten (Empathie, Impulskontrolle und Umgang mit Ärger und
Wut), Time-Out oder Eltern zeigen Verständnis, lenken sie von Quelle des Ärgers ab und helfen
Kindern positive Alternativen zu finden!
2. Sozialpolitische Entscheidungen treffen:
o Die Erforschung der Kindesentwicklung liefert Informationen, die für viele politische
Entscheidungen relevant sein können, die Kinder allgemein betreffen!
o Kinder als Zeugen: mehr als 40% der Kinder, die im Zusammenhang mit sexuellen Missbrauch
aussagen sind keine 5 Jahre alt und fast 40 % der Kinder in stichhaltigen Fällen sind jünger als 7
Jahre! ihre Aussagen sind sehr wichtig Experiment: inwieweit falsche Befragungen sich