Weiter zum Dokument

Rothermund&Eder, Kapitel V, ausführliche Zus.

Nur Kapitel 5; sehr ausführlich... eine kürzere Version folgt bald :-)
Kurs

Kognitions- und Emotionspsychologie I (200005)

77 Dokumente
Studierenden haben 77 Dokumente in diesem Kurs geteilt
Universität

Universität Wien

Akademisches Jahr: 2020/2021
Hochgeladen von:
0Follower
3Uploads
6upvotes

Kommentare

Bitte logge dich ein oder registriere dich, um Kommentare zu posten.

Text Vorschau

Kapitel V: Emotion

Wortbedeutung: emovere (lat.) = heraus bewegen, in Bewegung setzen, in einen erregten Zustand versetzen → gibt die zentrale Eigenschaft von Emotionen wieder: Emotionen berühren uns, erregen uns und bewegen uns in eine bestimmte Richtung

Enge Verschränkung von Motivation und Emotion

... als Beweggründe haben Emotionen viele Gemeinsamkeiten mit motivationalen Zuständen:

  • Emotionen energetisieren und organisieren Verhalten (gleich wie Motive), z. Zorn motiviert Vergeltung, Ekel motiviert Zurückweisung, Angst motiviert Vermeidung → Emotionen sind somit Motivatoren, wenn sie die Aufmerksamkeit der Person auf ein bestimmtes Ereignis lenken, Verhaltensstrategien zur Bewältigung der Situation nahelegen und ihre Ausführung auf physiologischer Ebene unterstützen

  • Emotionen haben eine Signalfunktion: motivationale Zustände und (missglückte) Anpassungen an Situationen werden von Emotionen begleitet, sodass Emotionen den Fortschritt in der Bedürfnisbefriedigung und Zielerreichung signalisieren → fungieren hier somit nicht als Motivatoren, sondern als Signale in Bezug auf die Anpassung der Person an bedeutsame Herausforderungen

  • positive Emotionen, z. Freude: signalisieren Erfolge und den Hinweis „weiter so“

  • negative Emotionen, z. Enttäuschung: signalisieren Misserfolge und den Hinweis „so geht’s nicht weiter“

Kennzeichen von Emotionen

1. Affektivität (Gefühlscharakter): wir empfinden Ärger, Stolz, usw. (ohne Empfindung keine emotionale Erfahrung), wobei affektive Empfindungen und deren Ursachen nicht zwingend bewusst sein müssen (sind aber prinzipiell bewusstseinsfähig, wenn wir auf sie aufmerksam werden)

2. Objektgerichtetheit (Intentionalität): Emotionen sind immer auf etwas ausgerichtet (z. man ist stolz auf etwas, freut sich über etwas, etc.) → dabei ist nicht relevant, ob das Bezugsobjekt tatsächlich vorliegt, gedanklich nur vorgestellt wird oder für die Zukunft erwartet wird → entscheidend ist nur die persönliche Einschätzung, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt bzw. eintreten kann

3. Unwillkürlichkeit: Emotionen = automatisch ausgelöste Reaktionen, denen man sich nicht entziehen kann → man kann zwar bestimme Situationen / Informationen meiden oder aufsuchen, damit eine Emotion (nicht) erlebt wird, aber die Auslösung der Emotion selbst kann nicht kontrolliert werden

4. begrenzte zeitliche Dauer: ist (mehr oder weniger) eng an das Auftreten des Bezugsobjekts gekoppelt → Bsp.: Angst vor oder während der Prüfung; wenn Anna sich wochenlang über eine verpatzte Prüfung ärgert, dann ärgert sie sich nicht ununterbrochen, sondern wiederholt – wenn sie sich an die Prüfung erinnert

Arbeitsdefinition von Emotion: Emotionen sind objektgerichtete, unwillkürlich ausgelöste affektive Reaktionen, die mit zeitlich befristeten Veränderungen des Erlebens und Verhaltens einhergehen.

Unterschied zwischen Emotionen und anderen gefühlsbetonten Zuständen

  • globale Stimmungslagen: sind diffuse positive oder negative Gefühlszustände, die keinen Objektbezug haben und eher länger andauern

  • emotionale Dispositionen (Temperamente): sind zeitlich stabile Persönlichkeitseigenschaften, die einen sehr allgemeinen Objektbezug haben → Bsp.: generelle Ängstlichkeit, erhöhte Reizbarkeit (Ärgerdisposition)

  • Motivation und Emotion: unterscheiden sich v. im Typus ihrer Bezugsobjekte:

    • Motivation: ist ein aktives Streben hin zu einem Zielzustand → ist somit immer auf zukünftige Ereignisse ausgerichtet
    • Emotionen: können auch auf vergangene Ereignisse ausgerichtet sein
    • somit lassen sich Emotionen nicht auf motivationale Zustände reduzieren
    • die Trennlinie verwischt aber zunehmend, wenn Emotionen sich auf Ereignisse beziehen, die eintreten könnten (z. Furcht vor Misserfolg), und sie somit als Motivatoren dienen (z. sich gut auf die Prüfung vorbereiten)
(a) Erlebenskomponente (Gefühlskomponente)

Emotionen gehen mit Veränderungen des subjektiven Erlebens einher → im Alltag werden Emotionen mit den charakteristischen Gefühlen gleichgesetzt; die wiss. Untersuchung von Gefühlen gestaltet sich aber schwierig → 2 Probleme:

  • philosophisches Problem der Qualia = die Schwierigkeit, subjektive Inhalte intersubjektiv (objektiv) zu erfassen [→ Qualia = das nicht objektivierbare phänomenale Bewusstsein mit dem subjektiven Erlebnisgehalt eines mentalen Zustandes = geistige Phänomene wie Schmerz, Geruch oder Farbe, die es nur im individuellen Bewusstsein gibt; Stangl-Lexikon]

  • Erfassung ist auf Selbstberichte beschränkt (z. Interviews, Ratings): Problem dabei: Ergebnisse werden beeinflusst von sprachlichen Gepflogenheiten und Beschränkungen auf verbalisierbare, bewusste Inhalte

Folge dieser Probleme: die Untersuchung der Gefühlskomponente wird von einigen Forschern als unwissenschaftlich betrachtet oder auch als unwichtig (weil sie Gefühle zu Epiphänomenen der emotionalen Verarbeitung „abwerten“)

die Gegenposition versucht wiederum grundlegende Dimensionen oder Kategorien von emotionalen Erfahrungen mit Hilfe von statistischen Verfahren zu ermitteln → kann aber das Problem der Qualia und der (retrospektiven) Selbstberichte nicht vollständig lösen

Das Circumplex-Modell (Barrett & Russel, 1999)

  • = ein Dimensionsmodell → Ziel von Dimensionsmodellen: grundlegende Dimensionen zu identifizieren, die emotionale Erfahrungen beschreiben → Hauptmethode: Extraktion von latenten Dimensionen (Faktoren) aus Gefühlsberichten und Einschätzungen von Emotionswörtern mit datenreduzierenden Verfahren (z. Faktoren- u. Clusteranalysen)

  • = ein Kreismodell, in dem sich emotionale Zustände um 2 orthodiagonale Dimensionen herum kreisförmig anordnen

  • zwei Dimensionen:

    • Valenz: angenehm → unangenehm
    • Erregung: ruhig (Deaktivierung) → erregt (Aktivierung)

innerer Kreis: grundlegende affektive Zustände (Basisaffekte)

äußerer Kreis: prototypische emotionale Zustände

PA = positiver Affekt; NA = negativer Affekt

Kernannahme: unterschiedliche Kombinationen von Erregung und Valenz führen zu unterschiedlichen emotionale Erfahrungen

  • Bsp. Überraschung = ein Zustand mit hoher Erregung + neutraler Valenz
  • Bsp. Freude = mittlere Erregung + hohe Valenz

ABER unklar, ob Valenz...

  • eine bipolare Dimension ist (d. zunehmender positiver Affekt geht mit reduziertem negativen Affekt einher und umgekehrt) oder
  • sich aus bivariaten Dimensionen zusammensetzt (d. positiver und negativer Affekt sind prinzipiell voneinander unabhängig und können gleichzeitig auftreten)

trotzdem: Übereinstimmung in der Beschreibung von emotionalen Erlebnissen in einem zweidimensionalen Raum → das Kreismodell hat sich als tragfähig bewiesen

(b) Kognitive Komponente

das Erleben von Emotionen wird auch von Bewertungen, Werturteilen und Kognitionen geprägt

  • Bewertungen = evaluative Kategorisierungen von Ereignissen in Bezug auf ihre Implikation für die eigene Person

  • je nachdem ob die Person ein Ereignis positiv oder negativ einschätzt, resultieren daraus unterschiedliche Emotionen

  • das emotionale Erleben wird nicht nur von evaluativen Einschätzungen beeinflusst, sondern oft von mehreren kognitiven Vorgängen, die einem nicht zwingend bewusst

  • z. Amygdala = Kernstück des Furchtsystems → hat weit verzweigte Projektionen u. auch zu neocortikalen Bereichen → lässt sich somit weder auf subcortikale Strukturen eingrenzen, noch sind die beteiligte Strukturen ausschließlich auf emotionale Funktionen spezialisiert → gleiches gilt für andere Emotionssysteme

  • → eine vereinfachende Einteilung des Gehirns in subcortikale “emotionale” und cortikale “kognitive” Bereiche ist wenig sinnvoll → die Komplexität von emotionalen Zuständen beruht eher auf ganz unterschiedlichen neurobiologischen Substraten, die netzwerkartig verschiedene Hirnareale umspannen

Limbisches System

  • wurde von MacLean (1952) als biologisches Substrat aller Emotionen vorgeschlagen → aufbauend auf Arbeiten von Papez (1937) und Klüber & Bucy (1937)

  • das erweiterte limbische System umfasst: Hippocampus, Fornix, Mamillarkörper, Tractus mamillothalamicus (Visq d’Azur’sches Bündel), anteriore Thalamuskerne, Gyrus cinguli (circuit papez), Amygdala, Septum, präfrontaler (orbitofrontaler) Cortex

  • liegt zwischen dem phylogenetisch alten Stammhirn und dem phylogenetisch jungen Neocortex → durch diese Positionierung wird dem limbischen System eine Vermittlungsfunktion zwischen Trieben (Stammhirn) und Kognitionen (Neocortex) zugeschrieben

  • ABER, Kritik: weder die Funktion noch der histologische Aufbau der “limbischen” Zellgruppen lässt eine große Einheitlichkeit erkennen → die Zusammenfassung der einzelnen “limbischen” Strukturen zu einem System beruht nur auf ihrer räumlichen Nachbarschaft und den vielfältigen Verbindungen

(d) Ausdruckskomponente

Emotionen äußern sich in Mimik, Haltung und Stimme → v. der Emotionsausdruck im Gesicht wurde detailliert untersucht:

  • Ergebnis von kulturvergleichenden Studien: der mimische Ausdruck von Furcht, Ärger, Traurigkeit, Freude, Überraschung und Ekel wird universell erkannt (z. Ekman & Friesen, 1969)

  • blind-geborene Kinder zeigen ebenfalls emotionsspezifische Gesichtsausdrücke → spricht für eine angeborene Basis

  • die Mimik einer Person wird auch stark vom sozialen Kontext und von sozialen Darbietungsregeln beeinflusst → somit kann man nicht direkt vom Gesichtsausdruck auf die Befindlichkeit schließen [Bsp.: in einigen Kulturen werden Kinder dazu erzogen, immer zu lächeln und negative Gesichtsausdrücke (v. Wut und Ärger) nicht zu zeigen]

Facial-Feedback-Hypothese

schwache Version: die Mimik hat einen modulierenden Einfluss aus das emotionale Erleben → über ein propriozeptives Feedback der Gesichtsmuskulatur [propriozeptiv = Wahrnehmungen aus dem eigenen Körper vermittelnd] → z. die Unterdrückung des Gesichtsausdrucks reduziert das Empfinden der jeweiligen Emotion

  • Lächeln verbessert die Stimmung

  • Stirnrunzeln verschlechtert sie

  • 3 Vorschläge für vermittelnde Prozesse:

    • fasziale Konfigurationen aktivieren Emotionsprogramme
    • vaskuläre Veränderungen des zerebralen Blutflusses oder
    • kognitive Inferenzen: die Person schließt von ihrem Ausdruck auf ihr emotionales Befinden

Pen-Studie von Strack, Martin und Stepper (1988): widerlegte die Erklärung des facial feedbacks als methodisches Artefakt (z. Erwartungseffekte) durch unaufdringliche Manipulationen des Gesichtsausdrucks

Aufgabe: Vpn sollten witzige Cartoons bewerten – entweder mit einem Stift (1) zwischen den Zähnen (Lächelstellung) (2) zwischen gespitzten Lippen (Unterdrückung von Lächeln) oder (3) in der Hand (Kontrollgruppe)

Ergebnisse: im Vergleich zur Kontrollgruppe wurden die Cartoons mit dem Stift zwischen den Zähnen lustiger eingeschätzt; mit dem Stift zwischen gespitzten Lippen weniger lustig → bestätigt den Einfluss der Mimik auf die Emotion

starke Version: Emotionen entstehen durch Aktivierung der Gesichtsmuskulatur

  • aktueller Stand der Forschung: es gibt bestenfalls einen losen Zusammenhang zwischen den Reaktionsebenen

 Reaktionsprofile sind besonders deutlich, wenn nicht nur Reaktionen eines Typs (z. physiologische

Reaktionen), sondern Reaktionen unterschiedlichen Typs miteinbezogen werden, bei denen erwartet wird, dass sie dieselbe Eigenschaft anzeigen – also hoch kohärent sind → Reaktionskohärenz (Reaktionszusammenhang)

(2) Wozu haben wir Emotionen?

Sichtweise früher: Emotionen sind irrationale, störende Zustände, die rationales Denken und überlegtes Handeln beeinträchtigen

  • Skinner (1948): “(...) emotions are useless and bad for our peace of mind and our blood pressure.”

Sichtweise heute (mehrheitlich): Emotion als adaptive Reaktion auf wiederkehrende Herausforderungen → intrapersonale und interpersonale Funktionen:

(a) handlungsleitende Funktion (b) informative Funktion (c) sozial-kommunikative Funktion

(a) Handlungleitende (motivationale) Funktion

= Emotionen richten das Verhalten der Person auf die Bewältigung einer bedeutenden Herausforderung aus

  • wird v. von evolutionspsychologischen Ansätzen betont
  • hier große Unterschiede zwischen den Theorien in Bezug darauf, welche handlungsleitenden Funktionen den Emotionen zugeschrieben werden

Funktionale Emotionsunterscheidung nach Plutchik (1980): benennt 8 verschiedene Funktionen

Kritik: man freut sich z. nicht nur über eine Partnerschaft, sondern auch über ein Geschenk, eine gute Note, etc. → der Ansatz kann die Vielfalt von emotionsauslösenden Ereignissen nicht zufriedenstellend abdecken, auch wenn Plutchik einräumt, dass die Emotionssysteme für andere Bereiche „zweckentfremdet“ werden

die Verhaltenstendenzen „Annäherung“ und „Vermeidung“ werden durch positive und negative Reize aktiviert → wurde von zahlreichen Studien belegt

z. Studie von Bradley et al. (2001): untersuchten die Stärke des protektiv-defensiven Lidschlusses (als Teil einer Schreckreaktion) bei der Betrachtung von Bildern mit unterschiedlichen emotionalen Inhalten (Gewalt, Ekel, Erotik, Sport, etc.) → Ergebnisse:

  • verstärkter Lidschlag bei der Betrachtung von (erregenden) negativen Bildern = hohe defensive Aktivierung
  • abgeschwächter Lidschlag bei der Betrachtung von (erregenden) positiven Bildern = reduzierte defensive Aktivierung

→ uzw. unabhängig von ihrem emotionalen Gehalt (z. negativ: egal, ob Ekel oder Gewalt)

z. Studie von Eder & Rothermund (2008), in der die Ausführung von distanzregulatorischen Bewegungen hin zu positiven Reizen und weg von negativen Reizen systematisch erleichtert wurde: belegte ebenfalls Verhaltenstendenzen der Annäherung und Vermeidung

 Emotionen regulieren demnach das Verhalten über breite motivationale Orientierungen, die der Person ein Aufsuchen von positiv bewerteten Situationen und ein Meiden von negativen Situationen nahelegen

widerspricht den Berichten über Blitzlichterinnerungen (= flashbulb memories): Personen vergessen (entgegen ihrer eigenen Überzeugung) die Begleitumstände solcher Ereignisse ähnlich schnell wie von alltäglichen Ereignissen

  • Studie von Talarico und Ricon (2003): einen Tag nach dem 11 wurden Studenten über die Begleitumstände befragt, unter denen sie vom Anschlag erfahren haben → die Befragung wurde 1, 6 oder 32 Wochen später wiederholt → Ergebnis: die Konsistenz der Angaben nahm ähnlich rapide ab wie die von Alltagsereignissen → Blitzlichterinnerungen werden empirisch nicht gestützt

Handlungssteuerung

  • emotionale Bewertungen leiten unsere Urteile, Entscheidungen u. Handlungsplanungen

  • antizipatorische Emotionen: nehmen emotionale Bewertungen von zukünftigen Ereignissen vorweg (z. Schuldgefühle bei erwarteter Übervorteilung) und ermöglichen eine strategische Ausrichtung des Verhaltens

  • zielbezogene Emotionen: geben Feedback über den aktuellen Stand der Handlungsregulation, z. Frustration (blockiertes Ziel), Enttäuschung (verpasstes Ziel) oder Stolz (erfülltes Ziel)

  • Belohnung und Bestrafung = elementare emotionale Ereignisse für eine Verhaltensmodifikation (Erziehung!)

Urteilen und Entscheiden

  • der emotionale Einfluss auf Entscheidungen und Urteile ist oft subtil und für einen selbst wenig offensichtlich

  • Emotionen als Bauchgefühle leiten Entscheidungen intuitiv an (siehe somatische Marker)

Blitzlichterinnerungen / flashbulb memories = detailgenaue und lebhafte Erinnerungen an emotional aufwühlende Ereignisse, z. 11; Tsunami → erinnert werden langfristig die Begleitumstände, die die jeweilige Person mit dem Ereignis verbinden

  • aktuelle Gefühle dienen als Entscheidungshilfe für Werturteile bei Unsicherheit (feelings-as-information)

  • Studie: Vpn wurden zu ihrer Lebenszufriedenheit befragt, uzw. an sonnigen und an regnerischen Tagen → an sonnigen Tagen (gute Stimmung) wurde die Lebenszufriedenheit höher eingeschätzt als an regnerischen Tagen (schlechte Stimmung)

Schlussfolgerung: offenbar nutzten die Vpn ihre momentane Gefühlslage als Hinweis auf ihre Lebenszufriedenheit

ABER: wurde diese Heuristik durch einen beiläufigen Hinweis auf das Wetter diskreditiert, so wurden die Einschätzungen zur Lebenszufriedenheit bezüglich der tagesabhängigen Stimmungsschwankungen korrigiert

Die Hypothese der somatischen Marker (Damasio, 1988)

besagt: emotional “markierte” Verhaltensoptionen beeinflussen Entscheidungen:

 wenn eine Entscheidung positive oder negative Folgen hat, dann wird die kognitive Repräsentation dieser Verhaltensentscheidung mit ihren emotionalen und somatischen Folgen assoziiert (z. Herzrasen)

 wenn später dieses Verhalten erneut zur Auswahl steht, dann wird die assoziierte emotionale Konsequenz automatisch reaktiviert und die Verhaltensoption wird auf diese Weise emotional “markiert”

 Resultat ist ein intuitives Gefühl, welche Entscheidung sich gut oder schlecht anfühlt

Iowa Gambling Task Experiment (Bechara, Damasio, Damasio & Anderson, 1994): → untersuchten die Hypothese in einer Spielsituation:

  • Ablauf: Vpn konnten Karten von 4 verschiedenen Stapeln frei wählen; Ziel = der Erwerb von möglichst viel Spielgeld

  • 2 Stapel mit niedrigen Gewinnen und Verlusten, die insgesamt einen Nettogewinn erzielten (gute Stapel)

  • 2 Stapel mit hohen Gewinnen und Verlusten, die insgesamt einen Nettoverlust erzielten (schlechte Stapel)

  • Frauen lächeln v. dann häufiger als Männer, wenn sie eine untergeordnete soziale Stellung einnehmen

  • lächelnde Kellnerinnen bekommen mehr Trinkgeld

  • Menschen lächeln auch aus Verlegenheit (wenn ihnen etwas peinlich ist)

 Lächeln drückt also nicht zwingend positive Befindlichkeit aus, sondern dient vielmehr auch sozialen Zwecken (Begrüßung, Beschwichtigung, Auflockerung von Beziehungen)

(d) Fazit: Zweck von Emotionen
  • Emotionen haben intrapersonale sowie interpersonale Funktionen:

    • informieren über persönlich relevante Ereignisse
    • motivieren Verhalten zur Bewältigung dieser Ereignisse
    • regulieren soziale Interaktionen
  • Emotionen sind somit funktional, dabei aber nicht immer vorteilhaft: z. Angst vor Schmerz schützt zwar vor Verletzungen, aber hindert uns auch am Zahnarztbesuch; Ärger schützt uns vor Ausbeutung durch andere, aber verursacht auch oft zwischenmenschliche Konflikte

  • → der Übergang von einer funktionalen zu einer dysfunktionalen Emotion ist fließend + von den Anforderungen der jeweilgen Situation abhänigig

null

(3) Wie entstehen Emotionen?

Emotionstheorien suchen nach Bedingungen und Prozessen, die zur Entstehung von (unterschiedlichen) Emotionen führen → 3 Erklärungsansätze:

(a) biologische Ansätze: Emotionen haben einen biologischen Ursprung in funktional spezialisierten Emotionsmodulen

(b) kognitive Ansätze: Emotionen werden durch kognitive Einschätzungen der Umwelt in

Bezug auf das eigene Wohlergehen und Wohlbefinden verursacht

(c) kostruktivistische Ansätze: Emotionen entstehen durch soziokulturell vereinbarten emotionalen Kategorisierungen von unspezifischen afffektiven Zuständen

  • gehen zurück auf Charles Darwin (Begründer der Evolutionsheorie) → Leitidee: Emotionen und ihr Ausdruck im Verhalten sind angeborene Merkmale, die durch natürliche Selektion entstanden sind (aus “The Expressions of the Emotions in Man and Animals”)

  • häufig wiederkehrende Umweltereignisse, die für das Überleben und den Reproduktionserfolg der Spezies wichtig sind, haben zur Entwicklung (Evolution) von funktional spezialisierten Emotionssystemen geführt, deren Funktionen sich in der Bewältigung dieser Ereignisse bewährt haben → Bsp.: physische / soziale Gefahren haben zur Entwicklung (Evolution) von Furcht / Eifersucht geführt, die sich in der Bewältigung dieser Gefahren bewährt haben

 diese evolutionspsychologischen Annahme wurde von moderenen Emotionstheorien in mehreren Varianten weiterentwickelt (z. Ekman; Panksepp)

  • wichtiges Kennzeichen von biologischen Emotionstheorien: Emotionen werden in diskrete Typen / Klassen eingeteilt = Basisemotionen

  • jede Basisemotion...

  • ist ein eigenständiges informationsverarbeitendes System (Modul)

  • spricht auf eine spezifische Klasse von Umweltreizen selektiv an (Domänenspezifität)

  • Prozesse außerhalb der Emotionsmodule (z. Kognitionen) haben nur begrenzt Einfluss auf die Verarbeitungsprinzipien des Moduls

  • Bsp. Furchtmodul: wird in einem subcortikalen System verortet + von Bedrohungsreizen automatisch aktiviert + dessen Aktivität ist relativ unzugänglich gegenüber kognitiven Urteilen und Erwartungen

(3) Biologische Ansätze
  • Modelllernen: erfolgt indirekt über die Beobachtung von anderen Personen → Bsp.: Kinder fürchten sich vor einer Spielzeugschlange, wenn ihre Mutter vor dieser Furcht zeigt (gleiches gilt unter Affen) → ABER: eine anloge Angst vor einer Plastikblume wird nicht erworben → d. es gibt angeborene Lernbereitschaften, die ein emotionales Lernen in bestimmten Situationen begünstigen = biologisch vorbereitetes Lernen = preparedness (Seligman, 1970)

  • die Idee der preparedness deckt sich auch mit der Beobachtung, dass sich Phobien vorwiegend auf offene Plätze, Höhe oder bestimmte Tierarten wie Spinnen beziehen und weniger auf z. Waffen, Haushaltsgeräte oder Autos (die aber z. wahrscheinlich gefährlicher sind)

Furchtkonditionierung: Der kleine Albert (Watson & Rainer, 1920)

  • die Fallstudie belegt, dass Angst gelernt werden kann

  • Forschungsfrage: Können ursprünglich neutrale Reize zu konditionierten Auslösern von Furchtreaktionen werden? → einzige VP = der kleine Albert (11 mon) → Ablauf:

Phase 1: Furchtreaktionen wurden ermittelt: dem kleinen Albert (A) wurde eine weiße Ratte (NS) gezeigt → A: keine Anzeichen von Furcht (keine UCR); lautes Geräusch durch Hammer gegen Eisenstange (UCS) → A: ausgeprägte Angst (Erschrecken, Weinen; UCR)

Phase 2: Ratte wurde mit dem lauten Geräusch gepaart: jedes Mal, wenn A die weiße Ratte berühren wollte, ertönte das laute Geräusch → wurde 7 Mal wiederholt in einem Abstand von max. 7 Tagen; danach wurde die Ratte alleine gezeigt (nun CS) → in dem Moment, wo Albert die Ratte sah, fing er an zu weinen und wollte vor ihr fliehen (CR) → die Ratte wurde für ihn somit ein konditionierter Auslöser von Furcht

Phase 3: Überprüfung einer Reizgeneralisierung: 5 Tage nach der Konditionierung wurde untersucht, ob die gelernte Furcht auch auf andere Objekte übertragen wird, die der Ratte ähneln → A zeigte starke Furcht vor Kaninchen, einem Hund, einem Fell und geringe Furcht vor einem Nikolausbart → Vgl.: Bauklötze und der Raum, in dem die Furchtkonditionierung stattfand, lösten keine Furcht aus

Phase 4: Überprüfung der zeitlichen Stabilität: 31 Tage nach der Konditionierungsphase zeigte Albert wieder Angst vor der Ratte + ähnlichen Dingen, aber in einer geringeren Intensität → Beleg: die gelernte Furcht war somit zeitlich stabil

Phase 5: die gelernte Furchtreaktion sollte beseitigt werden, durch:

  • Löschung: wiederholte Darbietung des CS (Ratte) ohne UCS (lautes Geräusch)
  • Gegenkonditionierung: Paarung des CS mit einem positiven UCS (Süßigkeiten)
  • Beobachtungslernen: VP beobachtet das Verhalten eines furchtlosen Modells diese Phase fand aber nicht mehr statt, weil Alberts Familie den Versuch abbrach → die Effektivität dieser Methoden wurde aber an einem anderen Kind (Peter, 3 Jahre) nachgewiesen (Jones, 1924)
(b) Was ist eine Emotion?
  • Emotionen = evolutionär erprobte Reaktionen, die von bestimmten Situationsmerkmalen auf multiplen Ebenen automatisch ausgelöst werden

→ Emotion bezieht sich hier auf einen synchron ausgelösten Reaktionskomplex, ohne Annahme einer bestimmten Reihenfolge

  • Ausnahme: James-Lange-Theorie (Grundlage für emotionalen Empfindungen sind Wahrnehmungen von körperlichen Veränderungen)

James-Lange-Theorie der Emotionsentstehung (James, 1983; Lange, 1984)

  • beruht auf 2 Annahmen:

    • ein emotionales Ereignis löst spezifische Reaktionen im Körper aus (z. Schwitzen)
    • diese körperlichen Veränderungen werden als Emotion empfunden
  • d.: Emotionen (Gefühle) werden mit Empfindungen von spezifischen körperlichen Reaktionen gleichgesetzt (wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen)

  • Theorie wurde von William James (1983) und Carl Lange (1984) fast zeitgleich entwickelt (Unterschied: James → viszerale Veränderungen; Lange → vasomotorische Veränderungen)

War dieses Dokument hilfreich?

Rothermund&Eder, Kapitel V, ausführliche Zus.

Kurs: Kognitions- und Emotionspsychologie I (200005)

77 Dokumente
Studierenden haben 77 Dokumente in diesem Kurs geteilt

Universität: Universität Wien

War dieses Dokument hilfreich?
1
Kapitel V: Emotion
Wortbedeutung: emovere (lat.) = heraus bewegen, in Bewegung setzen, in einen
erregten Zustand versetzen gibt die zentrale Eigenschaft von Emotionen wieder:
Emotionen berühren uns, erregen uns und bewegen uns in eine bestimmte Richtung
Enge Verschränkung von Motivation und Emotion
als Beweggründe haben Emotionen viele Gemeinsamkeiten mit motivationalen
Zuständen:
Emotionen energetisieren und organisieren Verhalten (gleich wie Motive), z.B.
Zorn motiviert Vergeltung, Ekel motiviert Zurückweisung, Angst motiviert Vermeidung
Emotionen sind somit Motivatoren, wenn sie die Aufmerksamkeit der Person auf ein
bestimmtes Ereignis lenken, Verhaltensstrategien zur Bewältigung der Situation
nahelegen und ihre Ausführung auf physiologischer Ebene unterstützen
Emotionen haben eine Signalfunktion: motivationale Zustände und (missglückte)
Anpassungen an Situationen werden von Emotionen begleitet, sodass Emotionen den
Fortschritt in der Bedürfnisbefriedigung und Zielerreichung signalisieren fungieren hier
somit nicht als Motivatoren, sondern als Signale in Bezug auf die Anpassung der Person an bedeutsame
Herausforderungen
- positive Emotionen, z.B. Freude: signalisieren Erfolge und den Hinweis „weiter so“
- negative Emotionen, z.B. Enttäuschung: signalisieren Misserfolge und den Hinweis
„so geht’s nicht weiter“
Kennzeichen von Emotionen
1. Affektivität (Gefühlscharakter): wir empfinden Ärger, Stolz, usw. (ohne Empfindung
keine emotionale Erfahrung), wobei affektive Empfindungen und deren Ursachen nicht
zwingend bewusst sein müssen (sind aber prinzipiell bewusstseinsfähig, wenn wir auf sie
aufmerksam werden)