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Leseverstehen Text Thema Handy
Universität: Fachhochschule Kiel
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Lesetext Seite 1 von 2
Was das Smartphone mit unserem Kopf macht
Digitale Medien verändern das Gehirn. Doch wie? Studien zeigen, dass das Handy
Konzentration und Aufmerksamkeit stören kann – und den Schlaf. In einigen Situationen ist
das Gehirn einfach überfordert. Welche Spuren hinterlässt die Dauerpräsenz von
Smartphones in unseren Köpfen? Gibt es deformierte Twitter- oder Facebook-Gehirne, wie
manche Pessimisten warnen? 5
Noch ist die Digitalisierung in vollem Gange. Der Smartphone-Boom etwa läuft erst seit
etwas über zehn Jahren – zu kurz für große Langzeitstudien. Trotzdem: Menschen nutzen
vermehrt Navigationsapps statt Straßenkarten, Tablets statt Bücher, Einparkhilfen im Auto
und sprechende Assistenten zu Hause. „Digitale Medien sind per se weder gut noch böse“,
stellt Psychologie-Professorin Ulrike Cress, 53, klar. „Sie haben bestimmte Eigenschaften, die 10
das Denken beeinflussen. Wir analysieren in unserem Projekt, wie wir Medien besser
nutzen, um Lernprozesse zu erleichtern. Und wie wir negative Effekte vermeiden, etwa –
bezogen auf das Internet – die Überlastung des Gehirns durch zu viele Informationen.“
Arbeitsgruppenleiter Professor Peter Gerjets hat zum Stichwort Überlastung ein Beispiel
parat: „Lesen und Lernen im Internet ist anders als im Buch“, sagt der 54-Jährige. „Das liegt 15
daran, dass digitale Texte andere Funktionalitäten enthalten als analoge, gedruckte Texte.“
Grundsätzlich gilt, dass Lesen, anders als Sehen und Sprechen, nicht biologisch angeboren
ist, sondern erlernt wird. Das heißt, dass das Gehirn die breiten Lesestraßen, die
Netzwerkverbindungen der Zellen, erst anlegt. Wobei ein Mensch beim Lesen
Hochleistungen vollbringt: Das Gehirn muss blitzschnell Zusammenhänge bilden, unsinnige 20
Wortbedeutungen unterdrücken und vieles mehr.
In Versuchen ließ der Professor seine Testpersonen Wikipedia-ähnliche Texte, die Links zum
Weiterklicken enthielten, zum Lernen nutzen. Und im Vergleich dazu Texte ohne
Verlinkungen. Das Ergebnis: Links bedeuten Ablenkung. „Schaut man auf das gleiche Wort,
wenn es als Link markiert ist, wird die Pupille messbar größer, ein Indikator für kognitive 25
Belastung.“ Das Gehirn springt an, und zwar das Arbeitsgedächtnis. Dabei werden offenbar
Ressourcen benötigt, die auch zum Lernen wichtig sind. Das Lernergebnis kann sinken. „Das
Spannende ist: Links lenken sogar dann ab, wenn sie nicht aufgemacht werden – nur weil sie
vorhanden sind“, berichtet Professor Gerjets weiter. „Sogar wenn wir Testpersonen sagen,
sie sollen die Links nicht anklicken, sondern sich nur auf ihr Lernziel konzentrieren, können 30
wir zeigen, dass die Lernleistung sinkt.“ Die Erklärung: Der Link kann einen Impuls im Kopf
auslösen, den Wunsch, auf die neue Netzseite zu springen. Den muss das Gehirn
unterdrücken. „Und auch ein Unterdrücken belastet das Arbeitsgedächtnis.“
Ähnliche Reaktionen der Überforderung vermuten die Fachleute, wenn man sich zu
komplexen, meinungslastigen Themen im Internet schlaumachen will. „Denken Sie an das 35
Thema Impfschutz, was da alles durchs Netz schwirrt, auch Fake News“, sagt der Psychologe
Gerjets. Man finde zwar viele Infos. Aber, und das wäre ein Mammutjob, man müsste die
Quellen auf Glaubwürdigkeit prüfen und vergleichen – ebenfalls eine Aufgabe fürs
Arbeitsgedächtnis.