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Leseverstehen Text Thema Handy

Akademisches Jahr: 2016/2017
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Was das Smartphone mit unserem Kopf macht

Digitale Medien verändern das Gehirn. Doch wie? Studien zeigen, dass das Handy Konzentration und Aufmerksamkeit stören kann – und den Schlaf. In einigen Situationen ist das Gehirn einfach überfordert. Welche Spuren hinterlässt die Dauerpräsenz von Smartphones in unseren Köpfen? Gibt es deformierte Twitter- oder Facebook-Gehirne, wie 5 manche Pessimisten warnen? Noch ist die Digitalisierung in vollem Gange. Der Smartphone-Boom etwa läuft erst seit etwas über zehn Jahren – zu kurz für große Langzeitstudien. Trotzdem: Menschen nutzen vermehrt Navigationsapps statt Straßenkarten, Tablets statt Bücher, Einparkhilfen im Auto und sprechende Assistenten zu Hause. „Digitale Medien sind per se weder gut noch böse“, 10 stellt Psychologie-Professorin Ulrike Cress, 53, klar. „Sie haben bestimmte Eigenschaften, die das Denken beeinflussen. Wir analysieren in unserem Projekt, wie wir Medien besser nutzen, um Lernprozesse zu erleichtern. Und wie wir negative Effekte vermeiden, etwa – bezogen auf das Internet – die Überlastung des Gehirns durch zu viele Informationen.“ Arbeitsgruppenleiter Professor Peter Gerjets hat zum Stichwort Überlastung ein Beispiel 15 parat: „Lesen und Lernen im Internet ist anders als im Buch“, sagt der 54-Jährige. „Das liegt daran, dass digitale Texte andere Funktionalitäten enthalten als analoge, gedruckte Texte.“ Grundsätzlich gilt, dass Lesen, anders als Sehen und Sprechen, nicht biologisch angeboren ist, sondern erlernt wird. Das heißt, dass das Gehirn die breiten Lesestraßen, die Netzwerkverbindungen der Zellen, erst anlegt. Wobei ein Mensch beim Lesen 20 Hochleistungen vollbringt: Das Gehirn muss blitzschnell Zusammenhänge bilden, unsinnige Wortbedeutungen unterdrücken und vieles mehr. In Versuchen ließ der Professor seine Testpersonen Wikipedia-ähnliche Texte, die Links zum Weiterklicken enthielten, zum Lernen nutzen. Und im Vergleich dazu Texte ohne Verlinkungen. Das Ergebnis: Links bedeuten Ablenkung. „Schaut man auf das gleiche Wort, 25 wenn es als Link markiert ist, wird die Pupille messbar größer, ein Indikator für kognitive Belastung.“ Das Gehirn springt an, und zwar das Arbeitsgedächtnis. Dabei werden offenbar Ressourcen benötigt, die auch zum Lernen wichtig sind. Das Lernergebnis kann sinken. „Das Spannende ist: Links lenken sogar dann ab, wenn sie nicht aufgemacht werden – nur weil sie vorhanden sind“, berichtet Professor Gerjets weiter. „Sogar wenn wir Testpersonen sagen, 30 sie sollen die Links nicht anklicken, sondern sich nur auf ihr Lernziel konzentrieren, können wir zeigen, dass die Lernleistung sinkt.“ Die Erklärung: Der Link kann einen Impuls im Kopf auslösen, den Wunsch, auf die neue Netzseite zu springen. Den muss das Gehirn unterdrücken. „Und auch ein Unterdrücken belastet das Arbeitsgedächtnis.“ Ähnliche Reaktionen der Überforderung vermuten die Fachleute, wenn man sich zu 35 komplexen, meinungslastigen Themen im Internet schlaumachen will. „Denken Sie an das Thema Impfschutz, was da alles durchs Netz schwirrt, auch Fake News“, sagt der Psychologe Gerjets. Man finde zwar viele Infos. Aber, und das wäre ein Mammutjob, man müsste die Quellen auf Glaubwürdigkeit prüfen und vergleichen – ebenfalls eine Aufgabe fürs Arbeitsgedächtnis.

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40 „Dann schaltet das Gehirn irgendwann in einen Stopp-Modus.“ Bei Internetrecherchen werden oft nur die ersten paar Links aufgerufen – dann wird abgebrochen. Trotz solcher Alarmsignale hat der Familienvater keine Bedenken, das eigene Kind per App beim Spracherwerb zu fördern. Und beide, er und seine Kollegin Professorin Cress, sind sich einig: „Überforderung und Ablenkungspotenzial sind keine Argumente gegen ein Medium an sich, 45 sondern gegen die ungesteuerte Nutzung.“ Drastischer hört sich die Analyse von Maryanne Wolf an. Die Kognitions- und Literaturwissenschaftlerin aus Los Angeles hat sich voll aufs Thema Lesen spezialisiert. Genauer, auf Unterschiede zwischen Papier und Bildschirm. Sie greift Erfahrungen auf, die viele Menschen kennen: Wer regelmäßig über Stunden am Bildschirm liest, dem fällt es 50 häufig schwerer als früher, lange Strecken auf Papier konzentriert zu meistern. Intensives Lesen wird plötzlich zum Stress. Beim digitalen Lesen huscht man über weite Teile des Textes hinweg. Der Text wird auf Schlüsselwörter abgeklopft, der Rest wird überflogen. Dieses oberflächliche Scannen sei auf Geschwindigkeit angelegt. Forscher konnten zeigen, dass lange Informationstexte aus Büchern und von Papier im Gehirn besser erinnert werden, als 55 wenn sie aus dem Netz gefischt wurden. Wolf warnt, dass sich das Gehirn durch die neuen digitalen Lesegewohnheiten insgesamt daran gewöhnen könnte, flach und ungeduldig zu denken. Sie sieht die Gefahr, dass Menschen so einen Teil ihrer Fähigkeit zur Analyse komplexer Fragen verlieren. Ein Risiko auch fürs Mitdenken in der Politik, für Wahlen und Demokratie. 60 680 Wörter

Text angepasst und gekürzt; Was das Smartphone mit unserem Kopf macht; Petra Kaminsky; 14. (welt/print/welt_kompakt/print_wissen/article196850803/Was-das-Smartphone-mit-dem- 65 Gehirn-macht gesichtet am 26.10)

Worterklärungen:

70 Twitter/ Facebook - soziale, digitale Netzwerke etwas ist in vollem Gange - etwas in gerade in der Entwicklung/ Benutzung ohne Ende Navigationsapps, die (Pl) - Anwendungen auf dem Handy zur Ortsbestimmung Tablets, die (Pl) - ist ein tragbarer flacher Computer ohne Tastatur per se - von selbst, aus sich heraus, automatisch 75 Wikipedia - digitale Enzyklopädie Links, die (Pl) - Hyperlink; Querverweis in einem digitalem Text, schneller = Verlinkungen Griff auf weitere Informationen Netzseite, die - eine Bildschirmseite im Internet Impfschutz, der - Gabe von Medikamenten, um eine Erkrankung zu verhindern 80 Fake News, die (Pl) - falsche, erfundene, vorgetäuschte Nachrichten Mammutjob, der - sehr große Aufgabe gefischt - erhalten, bekommen

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Was das Smartphone mit unserem Kopf macht
Digitale Medien verändern das Gehirn. Doch wie? Studien zeigen, dass das Handy
Konzentration und Aufmerksamkeit stören kann und den Schlaf. In einigen Situationen ist
das Gehirn einfach überfordert. Welche Spuren hinterlässt die Dauerpräsenz von
Smartphones in unseren Köpfen? Gibt es deformierte Twitter- oder Facebook-Gehirne, wie
manche Pessimisten warnen? 5
Noch ist die Digitalisierung in vollem Gange. Der Smartphone-Boom etwa läuft erst seit
etwas über zehn Jahren zu kurz für große Langzeitstudien. Trotzdem: Menschen nutzen
vermehrt Navigationsapps statt Straßenkarten, Tablets statt Bücher, Einparkhilfen im Auto
und sprechende Assistenten zu Hause. „Digitale Medien sind per se weder gut noch böse“,
stellt Psychologie-Professorin Ulrike Cress, 53, klar. „Sie haben bestimmte Eigenschaften, die 10
das Denken beeinflussen. Wir analysieren in unserem Projekt, wie wir Medien besser
nutzen, um Lernprozesse zu erleichtern. Und wie wir negative Effekte vermeiden, etwa
bezogen auf das Internet die Überlastung des Gehirns durch zu viele Informationen.“
Arbeitsgruppenleiter Professor Peter Gerjets hat zum Stichwort Überlastung ein Beispiel
parat: „Lesen und Lernen im Internet ist anders als im Buch“, sagt der 54-Jährige. „Das liegt 15
daran, dass digitale Texte andere Funktionalitäten enthalten als analoge, gedruckte Texte.“
Grundsätzlich gilt, dass Lesen, anders als Sehen und Sprechen, nicht biologisch angeboren
ist, sondern erlernt wird. Das heißt, dass das Gehirn die breiten Lesestraßen, die
Netzwerkverbindungen der Zellen, erst anlegt. Wobei ein Mensch beim Lesen
Hochleistungen vollbringt: Das Gehirn muss blitzschnell Zusammenhänge bilden, unsinnige 20
Wortbedeutungen unterdrücken und vieles mehr.
In Versuchen lider Professor seine Testpersonen Wikipedia-ähnliche Texte, die Links zum
Weiterklicken enthielten, zum Lernen nutzen. Und im Vergleich dazu Texte ohne
Verlinkungen. Das Ergebnis: Links bedeuten Ablenkung. „Schaut man auf das gleiche Wort,
wenn es als Link markiert ist, wird die Pupille messbar größer, ein Indikator für kognitive 25
Belastung.“ Das Gehirn springt an, und zwar das Arbeitsgedächtnis. Dabei werden offenbar
Ressourcen benötigt, die auch zum Lernen wichtig sind. Das Lernergebnis kann sinken. „Das
Spannende ist: Links lenken sogar dann ab, wenn sie nicht aufgemacht werden nur weil sie
vorhanden sind“, berichtet Professor Gerjets weiter. „Sogar wenn wir Testpersonen sagen,
sie sollen die Links nicht anklicken, sondern sich nur auf ihr Lernziel konzentrieren, können 30
wir zeigen, dass die Lernleistung sinkt.“ Die Erklärung: Der Link kann einen Impuls im Kopf
auslösen, den Wunsch, auf die neue Netzseite zu springen. Den muss das Gehirn
unterdrücken. „Und auch ein Unterdrücken belastet das Arbeitsgedächtnis.“
Ähnliche Reaktionen der Überforderung vermuten die Fachleute, wenn man sich zu
komplexen, meinungslastigen Themen im Internet schlaumachen will. „Denken Sie an das 35
Thema Impfschutz, was da alles durchs Netz schwirrt, auch Fake News“, sagt der Psychologe
Gerjets. Man finde zwar viele Infos. Aber, und das wäre ein Mammutjob, man müsste die
Quellen auf Glaubwürdigkeit prüfen und vergleichen ebenfalls eine Aufgabe fürs
Arbeitsgedächtnis.