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Psychiatrie Mitschrift

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Einführung in die Psychiatrie (160.450)

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Akademisches Jahr: 2019/2020
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Allgemeine Psychiatrie

Allgemeine Einführung

Psychiatrie:

  • Teilgebiet der Medizin;
  • Wissenschaft zur Erkennung, Behandlung & Vorbeugung krankhaft veränderten Seelenlebens;

(1) Beschreibung & Klassifikation (2) Modellvorstellungen (3) Behandlung (bio-psycho-soziale-weltanschauliche Dimension) (4) sozialer Aspekt (Entstigmatisierung, Öffentlichkeitsarbeit,...)

  • Forensische Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Biologische Psychiatrie;
  • Zentrum für Seelische Gesundheit, Abteilung für Psychiatrie & Psychotherapie → in Vgh. oft

stigmatisierende Bezeichnungen (die „11er“, Irrenhaus,...);

  • Antipsychiatrie → Bewegung, dass Psychiatrien geschlossen werden sollten & psychische Erkrankungen

hauptsächlich von Gesellschaft geschaffen werden (führte tatsächlich zu einigen Schließungen & dazu, dass viele

psychisch Kranke obdachlos wurden);

Geschichte der Psychiatrie

Betreuung psychisch Kranker:

  • vor Ende des 18. gab es praktisch keine Psychiatrie bzw. keine Möglichkeiten der institutionellen

Betreuung in Europa;

  • psychisch Kranke ohne Selbstverletzung/aggressives Verhalten bzw. Verletzung anderer → wurden

weitgehend zu Hause von ihren Familien betreut;

  • bei aggressivem Impulsdurchbrechen waren Familien jedoch oft überfordert & durch das Fehlen von

Betreuungsmöglichkeiten wurden diese dann oft in Gefängnissen/Türmen/Kerkern („Tollkolben“) eingesperrt;

  • später wurden dann Irrenhäuser & Asyle für diese Menschen gegründet (in Klagenfurt gab es ab 19. eine

Irrenanstalt);

  • oft wurden sie auch in Pflegeheimen untergebracht; nur wenige konnten es sich leisten in privaten

Sanatorien untergebracht zu werden, da dies sehr teuer war;

  • Mitteleuropa war damals eine Ansammlung von Kleinstaaten, in der es keine zentralistische Verwaltung

wie z. in Frankreich gab → Staat, Kirche & Gemeinden teilten sich Verantwortung für die Verwahrung psychisch Kranker in Asylen, Spitälern & Armenhäusern;

  • Unterbringung in Irrenanstalten & Asylen war oft nicht sehr gut → Ende des 18. Erreichen eines

beklagenswerten Zustandes (u. beschrieben von Johann Reil);

  • aber auch häusliche Pflege war schlecht → mussten teilweise im Stall schlafen, wurden wie Tiere

behandelt, misshandelt, geschlagen usw.;

  • wurden sie aus Anstalt entlassen, oft in Dorf verspottet;

  • diese Umstände herrschten bis etwa ins 19.;

  • Behandlung in Institutionen: sehr unterschiedlich & abhängig davon, wo sie behandelt wurden →

unterschiedliche Strömungen & unterschiedliche Qualität der Betreuung zur damaligen Zeit (von Ketten bis hin zu „Non-Restraint“-Methode von Conolly);

  • bekamen oft nur Notwendigstes zu essen, Einschränkung in Bewegungsfreiheit, primitive Versuche

therapeutischer Interventionen (Dauerbäder, kalte Güsse), menschenverachtend & Behandlungen, die heute unter Folter fallen;

  • moderne Bestrebungen zur damaligen Zeit → Ende des 18. veranlasste Pinel in Pariser

Frauenanstalt Salpetriere die Befreiung von den Ketten;

  • folglich gab es schon damals unterschiedliche Betreuungen/Positionen zu psychisch Kranken;
  • 1 (18./19.): Romantiker (Befreiung von Ketten, Gespräche führen, regelmäßige

Tagesstruktur, gemeinsames Essen, Verzicht von Bewegungseinschränkungen) & Somatiker (glaubten, dass psychische Erkrankungen rein körperlich bedingt sind; keine Heilungsmöglichkeiten, sondern nur Verwahrung sinnvoll);

  • 2: Irrenhäuser (Leute, die nicht sehr wohlhabend waren, schickten psychisch kranke

Angehörige hierhin; Betreuung war hier von sehr unterschiedlicher Qualität) & Sanatorien (Reiche brachten Angehörige hierhin; z. Bayernkönig Otto I. erkrankte bereits im Jugendalter an Schizophrenie & ihm wurde aufgrund seines Status ein ganzes Schloss umgebaut, wo er von Ärzten & Pflegern betreut wurde);

  • sozialpsychiatrische Einstellung (=würdevoller Umgang) scheiterte durch extreme Überfüllung der Anstalten

Ende des 19./Anfang des 20. → v. wegen Syphillis (=stadienartige Infektionskrankheit; in Stadium3/ kommt es zu schwerem organischem Psychosyndrom aufgrund des Gewebszerfalls im ZNS) & Alkoholsucht mit ihren Folgeschäden;

Therapie psychisch Kranker:

  • unterschiedliche Qualitäten je nach Institution;
  • Verwahrung & Pflege;
  • Isolation;
  • Rhythmus;
  • Zwangsmaßnahmen;
  • somatische Therapien (z. Schocktherapien; beruhten auf damaligen eher abstrusen Auffassungen);
  • moralische Therapie (Patienten wurden regelmäßige Tagesstruktur angeboten; motivierte sie zu sinnvoller Tagestätigkeit

= Arbeitstherapie);

  • medikamentöse Therapie (entwickelte sich langsam Ende des 19.; erste pflanzliche Präparate bzw. später auch erste chemisch hergestellte Substanzen, die hauptsächlich zur Beruhigung & Schlaf dienten; anti-psychotische/anti- depressive Medikamente damals noch nicht);
  • Vorstufen der Psychotherapie (Ende des 19. entwickelten sich erstmals psychotherapeutische Schulen;

Psychoanalyse war weniger für Menschen in psychiatrischen Anstalten, sondern eher für gehobenes Bürgertum);

Narrenturm: wurde 1784 unter Joseph II. als K&K Irrenanstalt in Wien eröffnet; wurde 1869 geschlossen; beherbergt aktuell die pathologisch-anatomische Sammlung;

Moderne Psychiatrie:

  • ab 1800 enstehen erstmals psychiatrische Krankenhäuser, Irrenhäuser & ähnliche Institutionen → dort

werden bereits entsprechende Beobachtungen & Kategorisierungen durchgeführt; aufgrund des oft jahrzehntelangen Aufenthalts der Patienten konnten auch Prognosen & Abläufe bestimmter Erkrankungen gemacht werden;

  • zunehmende Humanisierung & Rückgang von freiheitsraubenden Maßnahmen („Abnahme der Ketten“,

respektvollerer Umgang);

  • zentrale Behandlungsansätze: Schutz der Öffentlichkeit bei Aggressivität & Impulsivität + Schutz für

Patienten vor Öffentlichkeit (vor Herabwürdigung, verbrecherischen Übergriffen etc.);

  • Angehörige erfuhren meist nur durch Tod, wenn sie Urne mit Asche nach Hause geschickt oder Brief bekamen → einige Proteste gegen Euthanasie → Dezentralisierung der Tötungsmaschinerie;
  • von da an wurden zwar keine Transporte mehr organisiert, im Rahmen der sogenannten „wilden Euthanasie“ wurden PatientInnen jedoch in den Institutionen umgebracht → damaliger Primarius & einige eingeweihte Mitarbeiter beschlossen bestimmte Patienten ins Hinterhaus zu überstellen, wo diesen Überdosen von Medikamenten verabreicht wurden, an Lungenentzündungen verstarben od. an Entkräftung aufgrund Nahrungsmangel;
  • auch aus Deutschland kamen 2 Transporte mit Patienten, die dann im Hinterhaus untergebracht & getötet wurden bzw. dort aufgrund ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes starben;
  • insgesamt in Kärnten etwa 1500 Opfer, die der NS-Euthanasie zum Opfer fielen;
  • im gesamten Deutschen Reich ca. 200-300 psychisch Kranke während des Nationalsozialismus ermordet;
  • in Kärnten weiß man über Opfer bzw. Tatvorgänge relativ viel durch den sogenannten Niedermoser Prozess 1946 (war ehemaliger Primarius der Irrenanstalt & Hauptverantwortlicher für Deportationen und Tötungen);
  • Todesurteil für ihn & seinen eingeweihten Mitarbeitern → nur er selbst wurde im Innenhof des heutigen Gefängnisses erhängt;
Totale Institution:
  • auch Zeit nach Euthanasie war nicht leicht für Patienten → totale Institution (=Begriff von Irving Goffman, der über damalige Zustände in Irrenhäusern berichtete → wurden nach Eintritt entmündigt & oft sehr strenge, nicht nachvollziehbare Regeln befolgen);
  • es gab kaum therapeutische Ansätze & Aufenthalte waren sehr lange (meist über mehrere Jahre);
  • ab 1945 rein kustodiale Psychiatrie → rein verwahrend; zwar erste wirksame Medikamente gegen Schizophrenie & Depression, die aber auch ausgeprägte Nebenwirkungen hatten;
  • da kaum Beschäftigung für PatientInnen → führte zu Hospitalismus (=zeigten Symptome einer zunehmenden Endindividualisierung & Anpassung an Stationsgegebenheiten; verharrten oft in von Passivität geprägten Dämmerzustand);
  • ab 80er Jahren zunehmende sozialpsychiatrische Haltung & Prinzipien moderner Sozialpsychiatrie;
Aktuelle stationäre psychiatrische Situation:
  • 186 Betten;
  • Betreuung von ca. 3 stationären & 11 ambulanten Fällen im Jahr;
  • 2/3 werden freiwillig behandelt; ca. 43% im Rahmen des UBG (Unterbringungsgesetzes) unfreiwillig;
  • durchschnittliche Aufenthaltsdauer = 19 Tage;
  • Allgemeine Ambulanz → Mo, Di, Do, Fr von 8-12 Uhr offen; kann spontan & ohne Termin aufgesucht werden;
  • 7 Spezialambulanzen → Abhängigkeitsambulanz (v. für Alkoholkranke; Gespräche, motivationsunterstützende Maßnahmen & evtl. auch entzugsunterstützende Medikamente), Gedächtnissprechstunde (Angebot für an Demenz erkrankte Menschen & ihre Angehörigen), Essstörungsambulanz (Betreuung/Behandlung von Menschen mit Anorexia nervosa, Bulimia nervosa; gruppentherapeutisches Angebot), Angststörungsambulanz (Phobien, Panikstörungen, generalisierte Angststörung), Sexualstörungsambulanz (v. Genderdysphorie → Überzeugung, dass man biologisches & psychologisches Geschlecht als nicht übereinstimmend empfindet; sexuelle Identitätsstörungen → Transsexualität), ADHS-Ambulanz (Erkrankungen, die eher im Kindes-/Jugendalter stattfinden; setzen sich

aber im Erwachsenenalter oft fort), Schwangerenambulanz (psychisch kranke Schwangere → v. gewissenhafte Steuerung der Medikation);

  • tagesstrukturierende Therapieangebote, körpernahe Therapie, Einzel-/Gruppen-/Pflegevisiten, versch. therapeutische Angebote (Physiotherapie, Ergotherapie, Klinische Psychologie, Sozialarbeit) → jeder Patient bekommt mind. 3 Therapieangebote pro Tag zur Verfügung;

  • in Klagenfurt moderne Sozialpsychiatrie → Arbeit nach bio-psycho-sozialem-spirituellem Modell;

  • Miteinbeziehung von Angehörigen (Paar-/Familiengespräche) vernetzt mit extrastationären Angeboten (Vermittlung von Wohn- & Arbeitsrehabilitation);

  • multiprofessionelles Team, das interdisziplinär arbeitet → Ärzte, Pfleger, Sekundärleister (Physiotherapie, Klinische Psychologie, Ergotherapie, Klinische Sozialarbeit), andere Berufsgruppen (Verwaltungspersonal, Diätberater, Masseure,...);

  • zusätzliche Tätigkeitsfelder: Behandlung von geistig abnormen Rechtsbrechern (= Menschen, die im Rahmen ihrer psychischen Erkrankung Verbrechen begangen haben); Verabreichung von Medikamenten, die dem SMG unterliegen (=Suchtmittelgesetz §15); Lehrkrankenhaus für mehrere Universitäten; Vernetzung von Zentren psychosozialer Rehabilitation; psychiatrischer Not- & Krisendienst; Versorgung psychich kranker Menschen in Justizanstalt;

Ausgewählte Kapitel

Stigmatisierende Vorstellungen:

  • in unserer Gesellschaft bestehen oftmals stigmatisierende Vorstellungen/Mythen gegenüber psychisch Kranken;
  • Gefährlichkeitsparadigma → mörderische Irre, Gesellschaft müsse sich vor ihnen fürchten & deshalb

müsse man sie aus Öffentlichkeit ausschließen;

  • Freigeistparadigma → rebellische Freigeister, die Aufsicht & Unterstützung brauchen;
  • Regressionsparadigma → Menschen mit kindlichen Einstellungen, die versorgt werden müssen & nicht

selbstständig leben können;

  • diese 3 Fehlmeinungen werden größtenteils auch durch die Medien unterstützt → hat sich zwar in den

letzten Jahren schon zum Positiven gewendet, trotzdem berichten sie vorwiegend über Gewaltbereitschaft & Strafprozesse, selten hingegen über Heilung & Rehaprozesse → Gefahr, dass negative Assoziationen verschärft werden;

  • nicht nur Stigmatisierung der Psychiatrie an sich, sondern auch der Patienten & Mitarbeiter;
Berichterstattung über „psychisch kranke Gewalttäter“:
  • Medien tun sch oft sehr schwer damit umzugehen → oftmals werden durch Berichterstattung negative Vorurteile verstärkt & bestehende Stigmata bestätigt;

  • spektakuläre Einzelereignisse verfälschen das Bild ebenfalls;

  • Berichterstattung sollte eigentlich dazu beitragen, dass Bevölkerung nicht beunruhigt od. irritiert ist → Wortwahl ist sehr wichtig & muss im Spannungsfeld zwischen Information und Schlagzeile angesiedelt sein;

  • häufig „bad news“ über Psychiatrie & wird im negativen Kontext dargestellt, wenig Positives & über neue Therapieangebote → immer hinterfragen, was man liest;

  • oft werden Zwangsjacken od. Netzbetten als Bild hinzugefügt, obwohl es diese seit Jahrzehnten nicht mehr gibt;

  • z. 90-jährige Frau hat nach Sturz Hüftoperation → nach OP weiter noch desorientiert, verwirrt & versucht immer wieder Bett zu verlassen → ein neuer Sturz mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen → im Bett fixiert, um dieser Gefahr vorzubeugen;

  • z. Mann kommt mit 3 Promille ins KH eingeliefert, tobt & schreit → verbaler Zugang gelingt nicht → Medikamente zur Beruhigung, wird überwacht, ist aber weiterhin unruhig & droht aus Bett zu fallen → Sicherung mit Gurtensystemen;

  • in gewissem Maß kann man auch Verkehr mit Außenwelt einschränken → jedoch nicht Schriftverkehr

(jeder Patient muss Möglichkeit haben, Briefe/Postkarten zu versenden); aber Einschränkung von Telefonen & Besuchen;

  • auch diese Maßnahme wird schriftlich der Patientenanwaltschaft gemeldet & evtl. vom Gericht überprüft;

Zunahme psychischer Erkrankungen:

  • Gibt es tatsächlich häufiger psychische Erkrankungen in unserer heutigen Gesellschaft oder kommen

Menschen einfach nur aufgrund der zunehmenden Entstigmatisierung früher mit Institutionen in Kontakt & nehmen Hilfe auch öfter in Anspruch?

  • ist altes Thema, mit dem sich in Vgh. schon einige auseinandersetzten (z. Henry Maudsley, 1870);

  • heutzutage gibt es tatsächlich häufiger erlebnisreaktive Erkrankungen (z. Erkrankungen aufgrund chronischer Partnerschaftskonflikte, belastende Situationen am Arbeitsplatz, nicht substanzgebundene Süchte, altersasoziierte Erkrankungen);

  • andere Erkrankungen nehmen ab → dissoziative Störungen (z. frühere „Hysterie“), bestimmte Formen der

Schizophrenie (z. katatonische Schizophrenie);

  • zweifelsohne stärkere Inanspruchnahme der Ambulanzen, Fachärzte & Krisendienste;
  • vermehrte Verschreibung von Medikamenten für psychiatrische Erkrankungen;
  • Zunahme von psychiatrisch bedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Pensionierung & Reha-Maßnahmen;
  • Entstigmatisierung → viele Menschen setzten sich früher mit ihrer Erkrankung auseinander;

Fremdgefährlichkeit psychisch kranker Menschen:

  • grundsätzlich ist Fremdgefährdung auch bei psychisch gesunden Menschen von verschiedenen Faktoren abhängig;
  • Verbrechensrate unter psychisch Kranken ist nicht wesentlich höher als unter psychisch Gesunden →

Medien tragen zu verfälschtem Bild in Öffentlichkeit bei, da diese Straftaten häufiger dargestellt werden;

dennoch gibt es kleine Gruppe unter psychisch Kranken, die erhöhtes Risiko für Fremdgefährdung haben: (1) diejenigen, die unbehandelt krank sind; (2) diejenigen, die mehrere psychische Erkrankungen zugleich haben (z. Schizophrenie kombiniert mit Drogen-/Alkoholsucht); (3) diejenigen, die unter Drogen-/Alkoholeinfluss stehen → mit dadurch bedingten Halluzinationen nimmt Wahrscheinlichkeit zu (Kreislauf aus Angst, Anspannung & Resignation) & es führt zu Störung der Impulskontrolle; (4) diejenigen, die Fremdgefährdung bereits in ihrer Vorgeschichte haben;

Ökonomie - Gefahren:

  • zu Zeiten ökonomischen Drucks besteht Gefahr, dass man sich um Prävention & Postvention nicht mehr

so gut kümmern kann → es ist allerdings sehr wichtig psychische Erkrankungen schon in ihren Frühstadien zu erkennen & zu behandeln, ansonsten werden Inzidenzen schwerer psychischer Erkrankungen weiter steigen;

  • Sparen in Nachsorge → große Gefahr der Chronifizierung;

  • Sparen bei Personal → weniger Zeit für individuelle Beziehungsarbeit (Psychiatrie besteht zwar aus ausgewogener psychopharmakologischer Begleitung, jedoch sind das Wichtigste dennoch die umfassenden Therapieangebote & Beziehungsarbeit → wenn keine Zeit dafür, dann Leistungseinbuße);

  • Risiko für psychische Erkrankungen wird transgenerational weitergegeben → große Gefahr, dass wir auf

Kosten zukünftiger Generationen in ökonomisch angespannten Zeiten sparen;

Anamnese - Diagnose

Publikation über Kärntner Schriftstellerin/Lyrikerin Christine Lavant & ihren Aufenthalt an Klagenfurter Psychiatrie bzw. ihre eigenen Wahrnehmungen; Publikation über außergewöhnliche Krankengeschichte einer Patientin, die 44 Jahre sationär behandelt wurde & Entwicklung der Psychiatrie in Nachkriegszeit bis hin zu moderner sozialpsychiatrischer Orientierung miterlebte;

Anamnese:

  • um sich ein Bild von der Gesamtsituation i. des bio-psycho-sozial-weltanschaulichen Modells machen

zu können, braucht man Anamnese (gr. „aneu amnesias“ = Auflösung des Vergessens);

  • egal aus welcher Berufsgruppe ist man an Psychiatrie geschult durch bestimmte Interviewtechniken/

Gesprächsführung Befunde zu erheben & anamnetische Details von Patienten zu erfahren;

  • alles, was man von Patient durch seine Biografie, sein Denken, seine Weltanschauung, seine Werthaltungen, seiner Sozialisation erfährt & die Qualtität dessen, was man erfährt, ist abhängig von der Gesprächsführung, von Einstellung des Patienten & therapeutischer Fähigkeit zur Kommunikation und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen;
Faktoren, die bei Anamnese große Rolle spielen:

(1) Faktor Zeit: sehr wichtig für Anamnesegespräch, um nur annähernd das Gefühl zu bekommen, den Patienten in seiner Gesamtheit verstanden zu haben → mindestens 1 Std, oft aber auch mehrere Visiten/Gesprächstermine (Wie viel Zeit habe ich für Patient & sorgfältige Anamnese?, Wie viel Aufmerksamkeit kann ich Patient schenken?); (2) Faktor Zeitpunkt: wenn Patient 10 min später einen Termin hat od. man selbst kurz darauf die Abteilung verlassen muss, dann macht Gesprächstermin kurz vorher wenig Sinn → Zeitpolster ist besonders bei Paar-/Angehörigengesprächen wichtig (Ist es der richtige Zeitpunkt, um mit Patient Gespräch zu führen?, Ist der Patient & auch man selbst in der richtigen Verfassung? Kann ich Ruhe & genug ungestörte Zeit bieten?); (3) Rahmenbedingungen: atmosphärische Rahmenbedingungen ist wichtige vertrauensbildende Maßnahme → man sollte ungestört sein, Raum sollte gemütlich & vertrauenserweckend sein → Patient kann sich auf diese Weise leichter öffnen (jedoch nicht immer gegeben, wenn man z. Konsiliar macht → auf anderen Abteilungen/Stationen sind nicht immer dementsprechende Räumlichkeiten gegeben); (4) Verfassung der Patienten: auch sehr wichtig (z. wenn alkoholisiert, in seelischem Ausnahmezustand od. akut psychotisch, dann muss man andere Formen der Gesprächsführung anwenden als bei Patienten, die gut kontakt- & kommunikationsfähig sind); (5) Kommunikation: nicht nur über Sprache, sondern auch Verhaltensbeobachtung als zusätzliche Kommunikationsebene (Psychomotorik, Mimik, Gestik, Blickkontakt usw);

hohe Spezifität haben (=Symptome, die typisch für bestimmte Erkrankungen sind; z. Wahrnehmung von Objekten im Rahem des Alkoholentzugs-Deliers od. bei bestimmten Formen von Demenz);

  • durch Sammeln von Symptomen kommt man zu erster Kategorisierung (nimmt man automatisch in

psychiatrisch/psychodynamischem Denken vor) → liegt Angsterkrankung, paranoid-halluzinatorisches Syndrom, depressives Syndrom, manisches Syndrom, Demenzerkrankung usw. vor;

Status psychicus:

in Psychiatrie hat man besonderen Sprachgebrauch, was die Beschreibung des Seelenlebens betrifft (=Status psychicus) → umfasst folgende Qualitäten:

  • quantitative & qualitative Veränderungen des Bewusstseins → quantitative sind eher organisch bedingt (Unterscheidung in Stufen von Benommenheit bis hin zu Koma als Maximalvariante, die aber auch noch versch. Unterstufen hat); qualitative sind Bewusstseinserweiterungen (z. im Rahmen von Drogeneinnahmen od. bestimmten seelischen Zuständen) od. Bewusstseinseinengung (z. bei schwerer Deppresivität);
  • Orientierung → Gliederung in zeitliche, situative, örtliche Orientierung & Orientierung zur Person (ist z. bei schweren psychischen Erkrankungen & Formen der Demenz herabgesetzt);
  • Kognition → erste Beurteilung der Intelligenz (Dimensionen Aufmerksamkeit, Auffassungsgeschwindigkeit, Gedächtnisleistung & Konzentration → bei schweren Depressionen, schizophrenen Erkrankungen, Demenz beeinträchtigt);
  • Denken → Unterscheidung von formaler Denkstörung (=wenn Patient Denkziel nicht erreichen kann, Gedanken immer wieder abreißen, nicht zu Ende denken können) & inhaltlicher Denkstörung (=nicht nachvollziehbare Wahninhalte);
  • Wahrnehmung → kann beeinträchtigt sein, wobei man hier zunächst organische Ursachen ausschließen muss (z. visuelle Beeinträchtigung durch Schädigung des Sehnervs, akkustische Wahrnehmungsprobleme durch Altersschwerhörigkeit);
  • Ich-Störungen → versch. Beeinträchtigungen, Irritationen der Ich-Identität usw. (näheres dazu im Rahmen der Schizophrenie-Erkrankungen);
  • Affektivität → Unterscheidung zwischen Stimmung, die überherrschend ist, & Affekt, den man kurzzeitig beobachten kann (z. Vergleich mit Klima als Grundstimmung & aktuelles Wetter als Affekt; z. depressiver Mensch hat depressive Grundstimmung, zwischendurch kann Affekt aber erregt/verärgert sein);
  • Antriebslosigkeit - Antriebsüberschuss → verbunden mit fehlendem bzw. übergreifendem psychomotorischen Ausdruck (typischerweise bei bestimmten Formen der affektiven Erkrankungen);
  • circadiane Rhythmik → Tag- & Nachtrhythmus, Verfassungsunterschiede während des Tages (z. Morgentief bei schwer depressivem Menschen, der sich abends besser fühlt);
  • Vegetativum → vermehrtes Schwitzen, Appetit, Sexualität, Schlaf, Puls, Blutdruck (wird oft befragt, kann aber teils auch schon gesehen werden; z. wenn jemand stark abgenommen hat, zittert etc.);

Sammeln von Symptomen (durch Anamnese)

Syndrom

  • Fremd- & Selbstaggression → bzw. die Bereitschaft dazu; wichtiger Teil des Status psychicus (insbesondere Impulsivität, Aggressivität & Suizidalität);
  • Fakultativ → äußeres Erscheinungsbild, Interaktion, Sozialverhalten, somatische Befunde & sonstige Beobachtungen können in Status psychicus miteinbezogen werden;

2. Diagnostischer Schritt:

  • beim ersten Schritt also erste Ideen, um welches Krankheitssyndrom es sich handeln könnte → dann

durch vertiefende Anamnese, Außenanamnese, versch. Untersuchungsgänge & versch. diagnostische Schritte andere Krankheiten ausschließen → schließlich Diagnose;

  • z. 46-jähriger Patient erzählt von Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, erhöhte Kränkbarkeit, stark eingeschränktes Selbstwertgefühl → aus dieser Symptomliste bekommt man schon Idee, dass es sich um depressives Syndrom handeln könnte → man macht Schilddrüsenuntersuchung, um organische Ursache auszuschließen & genauere vertiefende Krankheitsanamnese unter Miteinbeziehung der Angehörigen (z. auch Erfragen, ob es manische Phasen gegeben hat, um diese auszuschließen) → dann kommt man zur Diagnose, dass es sich um depressive Episode handelt;

  • um Diagnose tatsächlich stellen zu können, bieten uns aktuell gültige Klassifikationsschemata Hilfe →

ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) & DSM-V (Diagnostisches & Statistisches Manual Psychischer Störungen);

DSM-V:
  • in erster Auflage 1928 von der American Psychiatric Association herausgebracht;
  • codiert nur psychiatrische Diagnosen;
  • aktuelle 5 erschien im deutschsprachigen Raum 2013/2015;
ICD-10:
  • sehr überaltet -> ICD-10 erschien 1990;
  • herausgegeben von WHO;
  • Unterschied zu DSM → umfasst alle psychischen, aber auch alle anderen internationalen Erkrankungen (Kapitel F ist psychischen Störungen gewidmet & nach diesem Schema klassifiziert man in Österreich);
  • da wir in Österreich nach diesem Klassifikationsschema arbeiten, haben wir ein sehr überaltetes Werkzeug zur Verfügung;

Verdachtsdiagnose:

nach Aufnahme, den anamnetischen Gesprächen & Einschätzung des multidisziplinären Teams hat man noch keine endgültige Diagnose, sondern evtl. Syndromebene → man hat also Verdachtsdiagnose;

Verdachtsdiagnose hilft bei weiteren Entscheidungen:

  • nimmt man Patient stationär, teilstationär auf od. reicht ambulante Behandlung;

Syndrom

Diagnose

1 (Irritationen des Denkens): (I) Gedankenlautwerden, -entzug, -eingebung (II) Wahninhalte (Kontroll-, Beeinflussung-, Wahnqualitäten) (III) Wahncharakteristik (anhaltend, realistisch, unrealistisch) (IV) Stimmen (=Haupthalluzination bei Schizophrenen; sind diese Stimmen befehlend, kommentierend, dialogisierend,...)

2: (I) Halluzinationen jeder Sinnesmodalität (II) Formales Denken (III) Katatone Symptome (=Störungen von Antrieb & Motorik; z. völlige Bewegungsstarrheit, plötzliche Bewegungsstürme,...) (IV) Negative Symptome (darunter versteht man, dass es von allem etwas weniger gibt → z. weniger Konzentrationsfähigkeit, weniger gute Stimmung, weniger soziale Interaktionsbereitschaft, weniger Antrieb → diese Symptome prägen meist Zustandsbilder von langjährigem Schizophrenieverlauf, wo sich Patienten schwerst depressiv & weltabgewandt verhalten)

Diagnose nach DSM-V:

Kategorie A)

  • Beurteilung von 5 versch. Dimensionen;
  • Wahn - Halluzinationen - desorganisierte Sprachweise - desorganisiertes/katatones Verhalten - negative Symptome;

Kategorie B)

  • soziale/berufliche Leistungseinbuße;
  • solch eine Leistungeinbuße ist bei allen psychischen Erkrankungen gefordert → wenn jemand alle obrigen Symptome hat, aber seinem Alltag trotzdem nachgehen kann & leistungsfähig ist, dann schließt das zwar nicht die Symptome, aber eine psychische Erkrankung aus (z. gibt es Leute, die Stimmen hören, aber deswegen keine psychische Erkrankung haben → Diagnose Schizophrenie wäre hier eine Fehldiagnose);

Kategorie C)

  • Zeitkriterium im DSM-V ist ganz anders beschrieben;
  • mind. 2 A-Kriterien müssen einen Monat vorhanden sein od. kürzer falls behandelt;
  • Erkrankungsdauer → 6 Monate mindestens eines der ersten 3 Symptome;

Kategorie D, E, F)

  • bei Verdacht auf Schizophrenie erfordert es zuvor eine exakte Durchuntersuchung → Ausschluss von Differenzialdiagnosen, von Einfluss von Substanzen & von medizinischen Krankheitsfaktoren (z. Hirnerkrankung, Medikamenten-Interaktion);

Kritik an Diagnoseschemata:

  • phänomenologisch-deskriptiver Ansatz überwiegt (=Symptome anamnetisch erfragt, festgestellt & aus Summe der Symptome + Zeitfaktor wird eine Diagnose gestellt) vs. Ätiologie (ist weit in Hintergrund gerückt → Warum hat Mensch die Erkrankung? Wie passt das in seine Lebenssituation? Welche Rahmenbedingungen haben das Ausbrechen der Krankheit mitbewirkt?);
  • infiltriert von Weltanschauung (z. Homosexualität war bis 1986 als psychische Erkrankung aufgeführt);
  • transtkulturelle Aspekte zu wenig berücksichtigt (z. Psychomotorik einer depressiven Frau aus Österreich ist zurückhaltender & anders als von einer aus dem slawischen Raum; Schizophrenie in Mitteleuropa ist anders als in anderen Kulturkreisen);
  • jede Kategorisierung/Klassifikation führt zu Gruppenbildung → Endindividualisierung (dem muss man als

Psychiater/Psychotherapeut vehement entgegensteuern → jeder hat außergewöhnliche Lebensgeschichte & jede Krankheit hat ihre individuelle Ausgestaltung → individueller Zugang ist wichtig zum Verstehen & zur Heilung);

  • Schubladendenken;

  • Klassifikation anstatt ausführliche Gespräche zu führen (direkt nach Klassifizierung kommt oft schon die Therapie,

ohne dass man überhaupt ein richtiges, langes Gespräch mit Patient geführt hat);

  • Amplifikation (darunter versteht man eigentlich das Gleiche wie unter Endindividualisierung → man weitet Diagnoseschemata aus, dehnt sie über viele Menschen & erreicht keinen individuellen Zugang);

Diagnostische Kategorien des ICD-10:

F0 → organische, symptomatische psychische Störungen (z. Demenzen) F1 → psychische Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (z. Abhängigkeit, Drogenmissbrauch, Entzugssyndrom) F2 → Schizophrenie, schizotype/wahnhafte Störungen F3 → affektive Störungen (z. Depression vs. Manie, Störungen der Stimmungslage, bipolar-affektive Störungen) F4 → neurotische, somatoforme & Belastungsstörungen (z. Anpassungsstörungen, Traumafolgeerkrankungen, Psychosomatik) F5 → Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen/Faktoren (z. Schlafstörungen) F6 → Persönlichkeitsstörungen, Verhaltensstörungen F7 → Intelligenzminderung F8 → Entwicklungsstörungen F9 → Verhaltens- & emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit/Jugend F10 → N.n. psychische Störungen

Befundbeschreibung:

auf diese Weise beschreibt man in einem Aufnahmebericht den Patienten;

(1) Status psychicus (=Beschreibung des aktuellen Zustand des Seelenlebens); (2) Status somaticus (=sorgfältige körperliche Untersuchung); (3) Status neurologicus (=sorgfältige neurologische Untersuchungen → Achten auf Lähmungen, Sprachstörungen, Bewegungsstörungen etc.); (4) Status sozialis (=Erstellen einer Sozialanamnese → Befragen der psycho-sozialen Rahmenbedingungen, ob versorgungspflichtige Kinder vorhanden sind, Arbeits- & Beziehungsdimension);

Multiaxiales System des DSM-IV (daran halten wir uns bei Befundbeschreibung):

Achse I → psychische Erkrankung bzw. klinische Störung Achse II → Persönlichkeitsstörung, geistige Behinderung Achse III → medizinische Krankheitsfaktoren Achse IV → psychosoziale Probleme Achse V → dem psycho-sozialem Funktionsniveau Zahlenwert zuordnen

Kategorien psychosozialer Probleme im DSM-IV auf Achse IV:
  • Probleme mit Hauptbezugsperson (Probleme in Partnerschaften, transgenerationale Probleme, Probleme eines Demenz-Kranken mit seiner 24h-Pflege,...)
  • Probleme im sozialen Umfeld (Nachbarschaftsprobleme,...)
  • Ausbildungsprobleme (z. Orientierungsprobleme am Beginn des Studiums)
  • Berufliche Probleme (z. Mobbing, Bullying)
  • Wohungsprobleme
  • Wirtschaftliche Probleme (z. finanzielle Sorgen, Arbeitslosigkeit)
  • Probleme beim Zugang zur Krankenversorgung (z. Situation von Asylwerbern)
  • Probleme beim Umgang mit Rechtssystem

werden im Rahmen der Kinder- & Jugendpsychiatrie besprochen

I) Alkoholabhängigkeit F10, substanzinduzierte affektive Störung F10. II) Dependente Pst. F60. III) Alkoholische Fettleberhepatitis, alkoholinduzierte Gastritis IV) Partnerschaftsprobleme, Arbeitslosigkeit, Sorggerechtsstreit V) GAF: 50

Anamnese - Ätiologische Modelle

Definition von Gesundheit laut WHO = Zustand des völligen körperlichen, seelischen & sozialen Wohlbefindens & nicht nur das Freisein von Krankheit od. Gebrechen;

Geschichte der Modelle:

  • besonders die Modelle aus der Vergangenheit sollten Erkrankungen kategorisieren & differenzieren (wir

werden uns auch noch später im Rahmen der Schizophrenie mit historischen Modellen auseinandersetzen);

  • Säftelehre von Hippokrates (466-377 v.): Unterteilung von Menschen in Sanguiniker, Melancholiker,

Choleriker & Phlegmatiker → je nachdem welche Säfte ins Ungleichgewicht geraten sind (Blut, schwarze Galle, helle Galle, Schleim), wurde entsprechend eingegriffen (z. Aderlässe, durchfallerzeugende Medikamente usw.);

  • begründend auf dieser Lehre gab es lange Zeit die Auffassung, dass bestimmte Menschen zu

bestimmten Erkrankungen neigen würden;

  • obwohl sehr alt, ist dieses Krankheitsmodell noch sehr verbreitet → immer wieder Theorien, dass es in

unserem Körper zu Verunreinigungen kommt usw, woraufhin versch. alternativmedizinische Präparate angeboten werden, die versuchen sollen das innerseelische Gleichgewicht wiederherzustellen;

  • auch in Alternativ-/Komplementärmedizin gibt es sehr viele verschiedene Modele (z. Homöopathie,

Akkupunktur usw.);

  • konstitutionsätiologischer Ansatz von Kretschmer (1921): versch. körperlichen Typen/Konstitutionen

werden bestimmte pyschische Erkrankungen zugeteilt (Pykniker, Astheniker, Athletiker);

  • Lehre ist obsolet (=nicht mehr gebräuchlich) & die Maximalvariante war menschenverachtend, da man

glaubte, dass gewisse körperliche Eigenschaften einen Hinweis auf das Entstehen von Krankheiten gibt (führte zu erbbiologischen & rassenhygienischen Einschätzungen psychischer Erkrankungen → Menschen wurden als minderwertig & auch als nicht lebenswert bezeichnet → Maximalvariante hat in NS-Euthanasie grauenhaftes Ausmaß angenommen);

  • Degenerationslehre von Morel: Österreicher, der später nach Frankreich übersiedelte; beschreibt, dass psychische Erkrankungen über Generationen schlechter werden & zunehmende Intensität annehmen (mündete in Zwangssterilisation im Rahmen der NS-Euthanasie);

Psychiatrische Modelle:

  • monokausale Modelle → Erkrankung ist auf eine einzige Ursache zurückzuführen → wenn diese Ursache

auftritt, dann kommt es zum Ausbrechen der Krankheit; ist in Psychiatrie nicht möglich, aber auch in normaler Medizin kaum vorstellbar (z. es gibt Unfallhergang & dadurch Knochenbruch, aber Umstände des Unfalls muss man hinzuziehen; auch bei Viruserkrankung spielen mehrere Faktoren eine Rolle → i. der Psycho-Neuro- Immunologie wissen wir, dass unsere Immunabwehr von vielen Faktoren beeinflusst wird, u. auch von seelischem Wohlbefinden → deswegen auch in Zeiten der jetzigen Corona-Krise wichtig, sorgsam mit sich umzugehen);

  • multifaktorielle Modelle → hauptsächlich in Psychiatrie angewandt; viele Faktoren, die in interpendenten

Verhältnis zueinander stehen, beeinflussen das Ausbrechen einer psychischen Erkrankung;

  • krankheitsorientierte Modelle → Ätiopathogenese (Wie ist es zur Krankheit gekommen?, Welche Ereignisse in

Kindheit/Jugend?, Aktuelle Belastungsfaktoren?);

  • gesundheitsorientierte Modelle → Salutogenese (untersucht, wie es manchen Menschen glückt, gesund zu

bleiben; Warum hat jemand trotz widriger Lebensumstände eine Krankheit nicht bekommen?);

  • sehr viele historische Modelle → zwar sehr alt, aber noch immer in vielen Köpfen;

  • subjektive Krankheitsmodelle → diejenigen, die uns Patienten anbieten bzw. seine eigenen Vorstellungen

zur Entstehung der Krankheit & sollte nicht mit objektivem Krankheitsmodell des Behandlers kollidieren (es geht darum ein gemeinsames Modell zu entwickeln, dass dem Patienten dazu dient, seine aktuelle Lage besser zu verstehen & gleichzeitig wissenschaftlich belegte Modelle inkludiert);

  • Laienmodelle → stehen oft in sehr großem Kontrast zu professionellen Modellen (trotzdem sollte man ihnen mit Respekt begegnen, auch wenn sie fremd erscheinen; z. Modelle aus anderen Kulturen unterscheiden sich oft völlig von unseren Modellen, auch ältere Menschen haben oft andere Vorstellungen zur Entstehung von Krankheiten);
  • nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige haben oft sehr unterschiedliche Modelle;
Biologische Modelle:
  • ist das aktuell gültige, interdisziplinäre & multifaktorielle Modell;
  • wir sprechen bei vielen psychischen Erkrankungen von organischer/körperlicher Basis (z. erworbene od. angeborene Schädigungen des Gehirns);
  • Genetik → gewisse Erkrankungen sind familiär bedingt; zwar spielen auch Werthaltungen, Erziehung usw. gewisse Rolle, aber eben auch genetische Bereitschaft;
  • zu vielen psychischen Erkrankungen gibt es sehr exakte Untersuchungen, aber nur wenige bei denen Genetik auch die kausale Ursache spielt (z. Trisome 21, wo durch das Vorhandensein eines dritten 21 ein ganz bestimmtes Erscheinungsbild auftritt → prädisponiert für bestimmte körperliche Krankheiten, sondern auch für verfrühtes Auftreten von Demenz);
  • auch andere Faktoren → entzündlich, hormonell, metabolisch, toxisch, endokrinologisch,...;
  • man muss deswegen bei jedem Patienten sorgfältige Durchuntersuchungen machen (zu Standards zählen CT, MRT, EKG, Blutabnahme), aber auch genaues Befragen bzgl. Medikamenteneinnahme (z. Beta-Blocker können Depressionen auslösen; Cortison, das oft bei Allergien eingenommen wird, kann Manie auslösen), Stoffwechselerkrankungen, aktuell vorliegende Entzündungen, hormonelles Ungleichgewicht (z. wird bei jedem Patient Schilddrüsenuntersuchung gemacht, weil Hypotheryose Depression prädisponieren kann);
  • auch Familienanamnese ist deshalb zentral wichtig;

Obsessive Quest fo find differences (Read 2004, 50): Zusammenstellung des bekannten Schizophrenieforschers Reed von scheinbar wissenschaftlichen Ergebnissen zur Erhöhung des Risikos für Schizophrenie (man möchte unbedingt von außen beobachtbare einzelne Unterschiede zwischen Menschen feststellen & auf diese Art auf erhöhtes Risiko rückschließen); sehr einfache, primitive & monokausale Ansätze;

  • Handschrift (Coron 2000)

  • Blutgruppe (Rinieris 1982)

  • Zeitpunkt der Geburt (Meltzer 1987)

  • Tätowierungen (Birmingham 1999)

  • Reaktion auf Ausscheidungsprodukte (Dimont und Hirt 1974)

  • Kopfumfang, weiche & verbiegbare Ohren, dritte Zeh ist länger als zweite (Schiffman 2002)

  • inadäquate Attraktivität von Frauen (Hidgon 1982)

  • Masturbationsverhalten (Brooks und Waikar 2000)

  • soziohistorische Faktoren → Geschichte der Psychiatrie (z. Homosexualität war bis in 80er Jahre psychische Erkrankung → in bestimmten Ländern auch heute noch verboten, dementsprechend auch Auswirkungen auf die seelische Verfassung);

Integrative Modelle:
  • in Psychiatrie integrative, multifaktorielle & interpendente Modelle, wobei hier die körperliche/biologische, die psychologische, die soziale & auch evtl. die weltanschauliche/ spirituelle Dimension eine Rolle spielt (bio-psycho-soziale-(spirituelle) Modelle);
  • für viele psychische Erkrankungen können wir allgemein ein Modell beschreiben => Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell (im selben Zusammenhang kann man auch Vulnerabilitäts- Resilienz-Modell beschreiben, dass z. bei Schizophrenie angewendet wird);

Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell (Zubin & Spring 1977):

  • primär für Schizophrenie postuliert;
  • man geht von angeborenen/genetischen bzw. durch frühkindliche Erfahrungen erworbene Vulnerabilität (=Verletzbarkeit) aus;
  • auf vulnerable Individuen treffen Stress-/Belastungsfaktoren → sind diese über einem bestimmten Schwellenwert, dann kommt es zum Versagen von Abwehr- & Bewältigungsstrategien → psychische Erkrankung tritt auf (z. bei sehr sensiblen, vulnerablen Menschen, die von klein auf Verlustängste haben & allgemein ängstlich sind, kann es bei weiteren Verlusten zum Versagen der Bewältigungsstrategien kommen & depressive Erkrankung tritt auf);
  • griech. Psychiater/Psychotherapeut Stavros Mentzos → fügte dem Modell Sensibilität hinzu;
  • meinte damit, dass Kinder vermutlich bereits in frühester Phase ihrer Entwicklung eine Sensibilität & bestimmte Verhaltens-/Wahrnehmungsmuster aufweisen, die wahrscheinlich zu hohem Ausmaß genetisch bedingt sind;

Psychosoziale Risikofaktoren bei psychischen Erkrankungen:

Achse 2 bzw. 3 des Modells; wichtig ist hier, dass man nicht monokausal denkt (→ nur durch einen vorhandenen Faktor kommt es nicht zum Auftreten einer psychischen Erkrankung, es braucht mehrere Faktoren);

  • früher Verlust einer Hauptbezugsperson
  • Armut
  • (schwerwiegende) psychische Störungen der Eltern (z. unbehandelt depressive Frau & ihr Umgang mit Kind → Still-Face-Experiment im WS; Wirkung eines schizophrenen Vaters mit Halluzinationen auf Kind; alkoholkranker Elternteil)
  • langandauernde Familienstreitigkeiten (permanenter Stress im Kindes-/Jugendalter durch z. Rosenkrieg der Eltern

spielt sehr große Rolle)

  • schwere Erziehungsdefizite
  • aggressive & sexualisierte Traumatisierungen
  • geringer Altersabstand zu Geschwistern unter 18 Monaten (hier soll es zu einem vermehrten Auftreten von Persönlichkeitsstörungen kommen → primäre Sozialisation des Kindes ist noch in vollem Gange & es braucht intensive Nähe von primären Bezugspersonen → durch Auftreten eines Geschwisterteils wird dieses Bedürfnis irritiert)
  • fehlende tragfähige Beziehung zu Eltern mit mangelnder Balance des Autonomie-/Bindungsgefüges
  • „Drangsalieren“ bzw. „Bullying“ (in letzten Jahren sehr beforscht; z. in Schulen)

Psychosoziale Schutzfaktoren:

können Resilienz verbessern (=Fähigkeit mit Belastungsfaktoren gut umzugehen & sich damit auch vor psychischen Erkrankungen zu schützen);

  • dauerhafte & gute Beziehung zu mindestens einer primären Bezugsperson
  • überdurchschnittliche Intelligenz
  • robustes, kontaktfreudiges, aktives Temperament
  • sicheres Bindungsverhalten
  • soziale Förderung
  • verlässliche & unterstützende Bezugspersonen im Erwachsenenalter
  • spätes Eingehen „schwer auflösbarer Bindungen“
  • physische Attraktivität (z. bewiesen, dass sich Lehrer intensiver um attraktive Kinder kümmern i. von häufiger fragen & mehr unterstützen)
  • individuelle, kreative Coping-Strategien (intelligente, aufgeschlossene Personen haben diese Strategien eher, um mit herausfordernden Lebenssituationen adäquat umgehen zu können)

Vorgehensweise:

  • wenn man sich mit Patient zusammensetzt, dann sollte man zunächst einmal seine zentralen

Eigenschaften, seine Persönlichkeit & seine wichtigsten Charaktereigenschaften gemeinsam eruieren;

  • auf diesen Menschen prallen nun versch. Belastungsfaktoren, aber auch Schutzfaktoren ein → durch

Ungleichgewicht dieser Faktoren erhöht sich das Risiko des Auftretens einer psychischen Erkrankung;

  • man kann das Ganze linear mit Lebensgeschichte aufzeichnen oder ein Bild machen → dadurch kann

man sich Bild über Modelle/Vorstellungen des Patienten machen & diese zu eigenen Modellen ergänzen;

  • Ziel sollte es sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden & gemeinsames Modell zu entwickeln, mit dem

sich Patient identifizieren kann (→ je stärker er sich damit identifiziert, desto mehr wird der dazu bereit sein, weiterführende medikamentöse/psychiatrische/therapeutische Maßnahmen nicht als Eingriff in die Autonomie, sondern als unterstützend zu erleben);

  • Patienten berichten auch von Schutzfaktoren & Ressourcen, die sie in ihrem Leben als wichtig

betrachten, auf die sie jetzt wieder zurückgreifen od. evtl. auch schon vergessen haben;

  • hier spielt auch tiefes Gefühl von Kohärenz eine große protektive Rolle (=das Gefühl, dass man Dinge begreifen/bewältigen kann und nicht von ihnen überrollt wird, dass man sich in einem sinnhaften Ganzen wiedererlebt & soziale Kontakte pflegt, die wohltuend und kräftespendend sind);
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Psychiatrie Mitschrift

Kurs: Einführung in die Psychiatrie (160.450)

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Einführung in die Psychiatrie - SS2020
Allgemeine Psychiatrie !
Allgemeine Einführung!
Psychiatrie:
-Teilgebiet der Medizin; !
-Wissenschaft zur Erkennung, Behandlung & Vorbeugung krankhaft veränderten Seelenlebens; !
(1) Beschreibung & Klassifikation!
(2) Modellvorstellungen!
(3) Behandlung (bio-psycho-soziale-weltanschauliche Dimension)
(4) sozialer Aspekt (Entstigmatisierung, Öffentlichkeitsarbeit,…)!
-Forensische Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Biologische Psychiatrie; !
-Zentrum für Seelische Gesundheit, Abteilung für Psychiatrie & Psychotherapie in Vgh. oft
stigmatisierende Bezeichnungen (die „11er“, Irrenhaus,…); !
-Antipsychiatrie Bewegung, dass Psychiatrien geschlossen werden sollten & psychische Erkrankungen
hauptsächlich von Gesellschaft geschaen werden (führte tatsächlich zu einigen Schließungen & dazu, dass viele
psychisch Kranke obdachlos wurden); !
Geschichte der Psychiatrie!
Betreuung psychisch Kranker:
-vor Ende des 18.Jhdts. gab es praktisch keine Psychiatrie bzw. keine Möglichkeiten der institutionellen
Betreuung in Europa; !
-psychisch Kranke ohne Selbstverletzung/aggressives Verhalten bzw. Verletzung anderer wurden
weitgehend zu Hause von ihren Familien betreut; !
-bei aggressivem Impulsdurchbrechen waren Familien jedoch oft überfordert & durch das Fehlen von
Betreuungsmöglichkeiten wurden diese dann oft in Gefängnissen/Türmen/Kerkern („Tollkolben“)
eingesperrt; !
-später wurden dann Irrenhäuser & Asyle für diese Menschen gegründet (in Klagenfurt gab es ab 19.Jhdt. eine
Irrenanstalt);!
-oft wurden sie auch in Pflegeheimen untergebracht; nur wenige konnten es sich leisten in privaten
Sanatorien untergebracht zu werden, da dies sehr teuer war; !
-Mitteleuropa war damals eine Ansammlung von Kleinstaaten, in der es keine zentralistische Verwaltung
wie z.B. in Frankreich gab Staat, Kirche & Gemeinden teilten sich Verantwortung für die Verwahrung
psychisch Kranker in Asylen, Spitälern & Armenhäusern; !
-Unterbringung in Irrenanstalten & Asylen war oft nicht sehr gut Ende des 18.Jhdts. Erreichen eines
beklagenswerten Zustandes (u.a. beschrieben von Johann Reil);!
-aber auch häusliche Pflege war schlecht mussten teilweise im Stall schlafen, wurden wie Tiere
behandelt, misshandelt, geschlagen usw.; !
-wurden sie aus Anstalt entlassen, oft in Dorf verspottet; !
-diese Umstände herrschten bis etwa ins 19.Jhdt.; !
-Behandlung in Institutionen: sehr unterschiedlich & abhängig davon, wo sie behandelt wurden
unterschiedliche Strömungen & unterschiedliche Qualität der Betreuung zur damaligen Zeit (von Ketten bis
hin zu „Non-Restraint“-Methode von Conolly); !
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